Trump reizt Erdogan

USA-Präsident verärgert türkischen Präsidenten mit Äußerungen zu den Massakern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren an Armeniern

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.

Das kam offenbar unerwartet. Wird Recep Tayyip Erdogan seinen Amtskollegen Donald Trump jetzt auch einen Nazi nennen? Er täte ihm möglicherweise unrecht. Vielleicht war es nur einer der unbedachten Rundumschläge seiner dilettierenden Crew im State Department, die Trump auch in der Armenierfrage ein wenig unzulänglich beraten hat.

Jedenfalls hat Trump in der von ihm gewohnten ungeschlachten Art wohl versehentlich ins Schwarze getroffen, als er die 1915 beginnenden Massaker an der nationalen Minderheit der Armenier im Osmanischen Reich als »eine der schlimmsten Massen-Gräueltaten des 20. Jahrhun-derts« bezeichnete. Der US-Präsident erklärte anlässlich des jährlichen Gedenktages zum Genozid laut AFP weiter, »wir müssen an Gräueltaten erinnern, um zu verhindern, dass sie wieder geschehen«.

In Ankara muss die Kritik wie eine Bombe eingeschlagen haben. Die regierungsfreundlichen türkischen Medien - und das sind mittlerweile notgedrungen so gut wie alle - sprachen wie das Istanbuler Blatt »Hürriyet« von einer Beleidigung der türkischen Nation. Andere wurden noch gröber.

Das offizielle Ankara blieb demgegenüber noch recht schmallippig. So kritisierte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu die Äußerungen des US-Präsidenten als »Fehlinformation« und »falsche Definition«. AFP zitiert ihn weiter mit der Forderung, die Türkei erwarte von der neuen US-Regierung, sich keine »einseitige historische Sichtweise von Kreisen zu eigen zu machen, die für ihren Hang zu Gewalt und Hassreden bekannt sind«. Die US-Regierung müsse »das Leiden aller Seiten in Betracht ziehen«. Vor der türkischen Botschaft in Washington protestierten sowohl Armenier, die ihre Genugtuung über Trumps Erklärung zum Ausdruck brachten, als auch türkische Nationalisten dagegen. Die Polizei hielt beide Seiten aber auseinander.

Der Sprecher des Weißen Hauses wirkte danach recht betreten. Sean Spicer redete sich damit heraus, dass sich Trumps Äußerungen nicht von denen früherer US-Regierungen unterschieden. Sich von Barack Obamas Politik abzusetzen - darauf allerdings legt man sonst immer sehr viel Wert. Spicer verwies in seiner Erklärungsnot darauf, dass Trump nicht von »Genozid« gesprochen habe.

Trumps Truppe führt damit aber tatsächlich einen ähnlichen Eiertanz auf wie die Obama-Administration. Auch zu deren Zeit wurde der Bündnispartner in Ankara bereits einmal schwer verärgert. Ausgelöst wurde die damalige Missstimmung im März 2010 von einer Resolution des Auswärtigen Ausschusses des US-Kongresses, in der die Verfolgung der Armenier als »Völkermord« bezeichnet worden war.

Die türkische Regierung wies den Vorwurf damals scharf zurück. »Wir verurteilen diese Resolution, die der türkischen Nation ein Verbrechen anlastet, das sie nicht begangen hat«, sagte damals Erdogans Amtsvorgänger Abdullah Gül. Seinerzeit glätteten sich die Wogen allerdings schnell wieder.

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