Heraus zur unangemeldeten Revolution

Tausende zu zahlreichen Demonstrationen erwartet / Innenbehörden gehen von weitgehend friedlichem Ablauf aus

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Polizei rechnet in diesem Jahr mit keinen größeren Ausschreitungen bei den Demonstrationen rund um den 1. Mai. »Wir sind gelassen. Die Polizei blickt souverän und unaufgeregt auf den 1. Mai«, sagte Polizeipräsident Klaus Kandt am Donnerstag bei der Vorstellung des Sicherheits- und Einsatzkonzepts für den Tag der Arbeit. Wie in den Jahren zuvor werde man eine Doppelstrategie fahren. Das Demonstrationsrecht werde für alle durchgesetzt, die friedlich protestieren wollen. Straftätern werde man dagegen konsequent begegnen. »Der 1. Mai hat sich sehr positiv entwickelt. Straftaten Einzelner können aber nie ausgeschlossen werden. Wir bleiben daher wachsam, sind aber unaufgeregt«, sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD). Gemeinsam mit der Polizeiführung stellte der Innensenator am Donnerstag das Einsatzkonzept für den 1. Mai im Polizeipräsidium in Tempelhof vor. Die Sicherheit des Myfests hat aus Perspektive der Innenbehörden oberste Priorität. Dementsprechend hoch werden die Sicherheitsvorkehrungen für das Straßenfest in Kreuzberg sein, zu dem auch in diesem Jahr wieder 40 000 Besucher erwartet werden.

Polizeieinsatzleiter Siegfried-Peter Wulff erklärte, dass es sehr wahrscheinlich sei, dass Zugänge zu dem Straßenfest zumindest kurzzeitig geschlossen werden. Das Risiko einer Massenpanik soll so minimiert werden. Zudem werde die Umgebung des Myfests für Lastwagen über 3,5 Tonnen weiträumig gesperrt. Das kündigte der Innensenator an. Verdächtige Fahrzeuge sollen in dem Sperrkreis, der von der Spree bis zu Hasenheide reicht, kontrolliert werden. Damit soll verhindert werden, dass die Veranstaltung Ziel eines terroristischen Lkw-Anschlags wie am Breitscheidplatz wird. Zuvor war auch über den Einsatz von Betonpollern spekuliert worden. Die werde es mit Blick auf die Fluchtwege nicht geben, sagte Einsatzleiter Wulff. Stattdessen wolle man an neuralgischen Punkten Polizeifahrzeuge als mobile Wegsperren platzieren. »Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet. Gefahrenabwehr und Sicherheit sind die Eckpfeiler unseres Einsatzplans«, sagte Wulf.

Der Einsatzleiter erklärte weiterhin, dass die für den Abend in Kreuzberg geplante traditionelle »Revolutionäre 1. Mai-Demonstration« mit erwartet 10 000 Teilnehmern nicht durch das Straßenfest laufen dürfe. Anders als von den Veranstaltern gewünscht, könne die Demonstration auch nicht am Oranienplatz starten. Zur Begründung nannte Wulff Sicherheitsbedenken. Wichtige Flucht- und Rettungswege wie die Naunynstraße, durch die die Demonstranten eigentlich ziehen wollten, müssten frei bleiben. Dass die Demonstration, aus der heraus es in den vergangenen Jahren auch zu gewalttätigen Attacken auf Polizisten gekommen war, von den Veranstaltern wahrscheinlich nicht angemeldet wird, sei für die Polizei kein Problem.

»Für die Arbeit der Polizei macht es keinen Unterschied. Es ist natürlich klar, dass man aus Sicherheitsaspekten nicht Zehntausende durch das Myfest spazieren lassen kann«, sagte die Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Kerstin Phillip. »Eine Nicht-Anmeldung ist noch kein Zeichen für Militanz«, beruhigte Einsatzleiter Wulff. Er appellierte aber an die Organisatoren, ihre Demonstration doch noch anzumelden. Wenn sie das nicht tun, drohe ihnen eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht. Über die genaue Route der Demonstration gibt es noch keine Einigkeit.

Trotz der Gelassenheit des Polizeipräsidenten warnte GdP-Chefin Phillip davor, voreilig von einem friedlichen 1. Mai zu sprechen. »Im vergangenen Jahr wurden trotz der Außendarstellung eines friedlichen 1. Mai 59 Polizisten verletzt«, sagte Phillip. Da sich die Krawalle am 1. Mai in Berlin in diesem Jahr zum 30. Mal jähren, sei davon auszugehen, dass die autonome Szene den Jahrestag für spezielle Aktionen nutzen wolle. Einsatzleiter Wulff sieht dagegen kein erhöhtes Krawallpotenzial zum Jubiläum. Er verwies in diesem Zusammenhang auf Veranstaltungen der rechten Szene in anderen Städten. »Entsprechende Gegenproteste könnten linke Kräfte binden. Berlin ist nicht der Nabel der Welt«, sagte Wulff.

Rund 6000 Polizisten werden am Sonntag und am Montag im Einsatz sein. Die Berliner Polizisten bekommen dabei Unterstützung von Kollegen aus anderen Bundesländern und der Bundespolizei. Zudem sollen zehn Staatsanwälte und sechs Richter am Abend des 1. Mai und in der Nacht im Einsatz sein. So sollen Haftbefehle zügig ausgestellt werden und Gewalttäter in Untersuchungshaft festgehalten werden können.

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