Rechte Lockrufe an die Arbeiter aus Erfurt

Zu der Kundgebung der AfD kamen nach Polizeiangaben rund 1200 Menschen / DGB-Vize gibt sich zugeknöpft

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Die »Großdemonstration«, zu der die AfD aufgerufen hatte, war es schließlich nicht. Die Zeiten, in denen die AfD in Erfurt Tausende Menschen dazu mobilisieren konnte, zu ihren Kundgebungen zu kommen, scheinen vorbei, obwohl die Partei inzwischen nur noch in großen Intervallen zu Demonstrationen aufruft und nicht, wie vor einigen Monaten, im Abstand von nur wenigen Wochen.

Nach Schätzungen der Polizei kamen etwa 1200 Menschen zu der Kundgebung, zu der die AfD für Montag zum Tag der Arbeit nach Erfurt eingeladen hatte. Dabei hatte sich der Rechtsaußen-Star der Partei angekündigt: der Landessprecher und Fraktionsvorsitzende der Thüringer AfD, Björn Höcke.

Dennoch ist das, was sich am 1. Mai in der thüringischen Landeshauptstadt in unmittelbarer Nähe des Thüringer Landtages abgespielt hat, bezeichnend dafür, wie intensiv nun auch die deutschen Rechtspopulisten versuchen, ein Klientel anzusprechen, mit dessen Hilfe der Populist Donald Trump in den USA Präsident werden konnte: Arbeiter und einfache Angestellte. Oder die, die sich dafür halten.

Nicht zufällig fand dieser AfD-Aufmarsch am traditionellen Tag der Arbeiterbewegung statt. Und nicht zufällig stellte die AfD ihre Kundgebung unter die Überschrift: »Sozial, ohne Rot zu werden«. Was das in der Lesart der Rechtspopulisten bedeutet, hatten sie schon im Aufruf zu ihrer »Großdemonstration« geschrieben. »Wir wissen um den Wert der Arbeit«, heißt es dort. Die AfD vertrete »die Interessen der Arbeiter«. »Durch Union bis Linke werden die deutschen Bürger mit höchsten Steuerabgaben belastet, nicht zuletzt, um eine in großen Teilen gesetzeswidrige und ungeregelte Masseneinwanderung finanzieren zu müssen«, formuliert die Partei.

Die AfD versucht also, nationalistische Töne auf der proletarischen Klaviatur zu spielen - was Höcke bei der Demonstration auf die Spitze trieb. Höcke erklärte den Arbeiter, den deutschen Handwerker und den deutschen Angestellten zum Rückgrat des Sozialstaates und damit zu den angeblichen Opfern der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Und das, wo doch der deutsche Handwerker »Inhaber einer Haltung« sei. Weil er die preußischen Tugenden lebe.

Obwohl Trump in den USA gezeigt hat, wie erfolgreich ein nationalistischer Politiker sein kann, geben sich deutsche Gewerkschafter ziemlich unbeeindruckt von der Strategie der Rechtspopulisten hierzulande. Wohl auch, weil sie sich den 1. Mai als Kampftag der Arbeit nicht wegnehmen lassen wollen - und fürchten, dass genau das geschehen könnte, wenn sie der AfD am 1. Mai zu viel Aufmerksamkeit schenken.

Der Vizevorsitzende des DGB im Bezirk Hessen-Thüringen, Sandro Witt, will jedenfalls nicht viel über den AfD-Aufmarsch von diesem Montag sprechen - obwohl er in der Vergangenheit immer wieder derartige Kundgebungen kritisiert hat. »Eigentlich interessiert die mich wirklich nicht«, sagt er. Und: »Ich finde, das hat mit dem 1. Mai und unseren Gewerkschaften gar nichts zu tun.« Eher halbherzig schiebt er dann noch nach, die Antwort der Gewerkschaften auf die protektionistischen Töne von Populisten sei internationale Solidarität. Zudem hätten sozialwissenschaftliche Studien gezeigt, dass die Zustimmung zur AfD in solchen Betrieben gering sei, in denen Gewerkschaften und Betriebsräte stark seien. Wovon es in Thüringen relativ zur Gesamtzahl der dortigen Unternehmen aber nicht allzu viele gibt.

Eine Handvoll Gegendemonstranten begleiteten den AfD-Aufmarsch, die Masse der Gewerkschafter war auf eigenen Kundgebungen im Freistaat unterwegs. Eine der Gegendemonstrantinnen hielt ein Schild hoch, auf dem zu lesen stand: »Sozial, ohne Blau zu werden.«

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