LINKE spricht von Leitkulturgeschwätz

Seehofer freut sich über Thesen von Minister de Maizière: Bekenntnis ist Voraussetzung für gelingende Integration

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Selbst in den Unionsparteien scheiden sich die Geister, wenn es um Für und Wider einer deutschen Leitkultur geht, wie sie Thomas de Maizière (CDU) in seinen Thesen vorgetragen hat. Lob erfuhr der Innenminister unter anderem von CSU-Chef Horst Seehofer. Endlich finde diese Diskussion auch auf Bundesebene statt, freute sich Seehofer gegenüber der in Düsseldorf erscheinenden »Rheinischen Post«. Der bayerische Ministerpräsident betonte: »Das Bekenntnis zur Leitkultur ist eine der Voraussetzungen für gelingende Integration. Die Leitkultur ist in unserem Bayerischen Integrationsgesetz längst verankert. Das ist notwendig für die kulturelle Identität im Land.«

Das von der CSU gegen erbitterte Widerstände durchgesetzte Integrationsgesetz ist allerdings höchst umstritten und muss nun auch vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof überprüft werden. Die Landtags-SPD wie auch die Grünen reichten Klage gegen das Gesetz ein. Die SPD verband diese mit scharfer Kritik. »Die CSU verordnet dem Freistaat Bayern eine Leitkultur und macht damit ein Stück weit aus unserem Land auch einen autoritären Bevormundungsstaat«, kritisierte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher in München. Die CSU hatte das Gesetz im Dezember im Landtag durchgedrückt - es wurde aber wegen langen Widerstands von SPD und Grünen erst nach einer nächtlichen Marathonsitzung beschlossen. Dass die Leitkulturidee mit der Forderung ihrer Befürworter nach Unterordnung verbunden ist, zeigt sich auch in der Unterstützung de Maizières durch den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Der forderte in der »Welt«, dass den Worten zur Leitkultur auch eine »klare Umsetzung« folgen müsse: »Wer sich als Zuwanderer nicht in Deutschland integrieren will, muss in letzter Konsequenz unser Land verlassen.« Selbstverständlich stehe Deutschland für eine offene und tolerante Gesellschaft, fügte Herrmann hinzu. »Aber ebenso klar sind unsere Wurzeln, die wir bewahren müssen.«

Hingegen kritisierte der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz seinen Parteikollegen de Maizière. Man solle für eine Kultur des Zusammenlebens werben, sagte er am Dienstag im Deutschlandfunk. Den Begriff »Leitkultur« lehnte er aber ab, »weil er in eine vielfältige, bunte, vor allem pluralistische Gesellschaft, eine freiheitliche Gesellschaft nicht passt«. Polenz sagte, die Thesen seien »auch nicht ganz ungefährlich«. Wer eine Leitkultur behaupte, müsse auch fragen, wie das zur kulturellen Vielfalt stehe, »die wir faktisch in unserem Land haben«. Er verwies auf Musik, Tischsitten, Feiern, Jugendkultur, bürgerliche Kultur oder alternative Szene. »Das deutet doch alles auf bunte Vielfalt hin und nicht auf Richtschnuren«, sagte Polenz.

Entschiedener Widerstand schlägt dem Innenminister weiterhin aus der LINKEN entgegen. »Die Aufgabe von Bundesinnenminister de Maizière bestünde eigentlich darin, für mehr gesellschaftliche Integration zu sorgen«, erklärte Jan Korte, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag. »Wer aber Menschen, die schon seit Jahrzehnten hier leben, beständig durch Leitkulturgeschwätz das Gefühl vermittelt, hier eben nicht dazuzugehören, hat seinen Job verfehlt.« Und Parteichefin Katja Kipping zog eine Verbindung zum Fall des jüngst enttarnten Bundeswehroffiziers, der offenbar einen Anschlag, als Flüchtling getarnt, plante. »Der Minister sollte uns besser sagen, warum seine Inlandsgeheimdienste weder den Nazi in Uniform, noch den Nazi als vermeintlichen Flüchtling finden konnten.« Der Mann sei nicht der erste Neonazi, der sich in der Bundeswehr tummele. »Es braucht eine umfassende und schnelle Aufklärung«, verlangte Kipping. Der Fall sei erschreckend. »Offenbar gibt es auch ›Gefährder‹ in Uniform.« Mit Agenturen

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