Deeskalation - ein Anfang in Astana?

Syrien-Gespräche in Kasachstan wurden durch einen russischen Vorschlag belebt

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 3 Min.

Der russische Vorschlag von vier »Zonen der Deeskalation« brachte neuen Diskussionsstoff in die Syrien-Gespräche im kasachischen Astana. Die syrische Regierung unterstützte die Idee. Grundlage dafür müsste der im Dezember 2015 vereinbarte Waffenstillstand sowie »die Souveränität und territoriale Integrität Syriens« sein. Regierung und Armee würden sich daran halten und diese Gebiete nicht angreifen, erklärte eine namentlich nicht genannte »offizielle Quelle« des syrischen Außenministeriums. Die Regierung sei verpflichtet, das Leben der Bevölkerung zu verbessern, das Blutvergießen zu beenden und alles dafür zu tun, dass die Syrer wieder ihr normales Leben aufnehmen könnten, wurde die Quelle des syrischen Außenministeriums von der Nachrichtenagentur SANA zitiert. Die Regierung wolle alles tun, um die syrische Wirtschaft zu stärken und die Lebensverhältnisse der Bevölkerung zu verbessern, die unter dem Krieg - »der Syrien aufgezwungen worden ist« - gelitten hätten. Der Kampf gegen Islamischen Staat (IS) und Nusra-Front sowie gegen die Organisationen, die mit diesen kooperieren, ginge in ganz Syrien weiter.

Russland hatte zu den zweitägigen Astana-Gesprächen, die am Mittwoch mit Treffen der Experten begonnen hatten, einen Vorschlag über vier Deeskalationszonen in Syrien vorgelegt, um den Friedensprozess dort zu fördern. Ziel sei es, die terroristischen Gruppen von anderen bewaffneten Gruppen (»moderate Rebellen«) zu trennen. Die Kämpfe zwischen den Gruppen wie auch die Fronten zwischen Regierungstruppen und bewaffneten Gruppen sollten beruhigt werden. Die vorgeschlagenen Zonen sind noch nicht eindeutig markiert, sollen aber AFP zufolge in der Provinz Idlib, nördlich von Homs, im Osten von Damaskus (Ghouta) und in Deraa (Grenze zu Jordanien) eingerichtet werden. Sie sollen durch Kontrollpunkte erreichbar sein, die sowohl von den bewaffneten Gruppen als auch von der syrischen Armee besetzt sind. Russland könnte - nach Einschätzung russischer Politiker - möglicherweise mehr Militärpolizei nach Syrien entsenden, um Sicherheit und Ordnung innerhalb dieser Zonen zu gewährleisten. Das Prinzip entspricht dem Vorgehen, das bereits in vielen Teilen des Landes angewandt wird, wo die militärischen Auseinandersetzungen durch lokale Waffenstillstände beendet werden konnten.

82 000 Männer haben bisher ihre Waffen abgegeben bzw. sich von den bewaffneten Gruppen losgesagt und wurden in ein staatliches Amnestieprogramm eingegliedert. Drei Millionen Menschen konnten so in ihre Heimatorte zurückkehren.

Russland unternehme viel, um eine innersyrische Friedensvereinbarung zu unterstützen und in Gang zu bringen, sagte der Sonderbeauftragte des russischen Präsidenten für Syrien, Alexander Lawrentjew, am Mittwoch in Astana. Deeskalationszonen könnten das »anhaltende Problem lösen, wie die moderate syrische Opposition von den terroristischen Organisationen« zu trennen sei. Die US-Regierung sage seit mehr als einem Jahr zu, die Nusra-Front von den anderen Gruppen zu isolieren, ohne Ergebnis. Mit dem Deeskalationsplan könnte die »moderate Opposition selber, mit Unterstützung ihrer Sponsoren/Garantiemächte, den Kampf gegen die Terrororganisationen führen«, so Lawrentjew.

Erstmals nahm an den Astana-Gesprächen auch ein von US-Präsident Donald Trump entsandter Diplomat teil. Stuart Jones, der als Botschafter in Irak und Jordanien war, traf zu gesonderten Beratungen mit Lawrentjew zusammen. Auch der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, nahm an dem Treffen in Astana teil. Wiederholt hatte de Mistura betont, dass die Verhandlungsprozesse in Astana und in Genf nicht im Widerspruch stünden, sondern sich ergänzten.

Die Golfstaaten Katar und Saudi-Arabien sowie deren europäische Partner wie Frankreich, Großbritannien und Deutschland streben weiterhin den Sturz von Präsident Baschar al-Assad und einen Regierungswechsel in Syrien an. Dafür beharren sie auf der Einrichtung von »Sicheren Zonen«, in denen der syrischen Regierung jegliche Kompetenz - administrativ, politisch und militärisch - abgesprochen werden soll. Zur finanziellen Absicherung dieses Vorhabens hat die Bundesregierung bereits Millionen von Hilfsgeldern in die Provinz Idlib gepumpt, die in weiten Teilen militärisch von einem Bündnis um Nusra kontrolliert wird.

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