Der neugierige Nachbar

Hausfriedensbruch?

  • OnlineUrteile.de
  • Lesedauer: 1 Min.

Frau X hatte ihren Nachbarn eines Tages dabei ertappt, wie er sich über ihre Balkonbrüstung beugte, um in ihre Wohnung zu schauen. Beide Balkone lagen direkt nebeneinander, geteilt von einer Trennwand. Um ihn abzuschrecken, installierte sie sogar eine Videokamera auf ihrem Balkon. Das hielt den Nachbarn nicht davon ab.

Frau X zog vors Amtsgericht Hanau, das dem Nachbarn unter Androhung von Zwangsgeld verbot, der Frau weiter nachzustellen. Damit sei er in ihr »befriedetes Besitztum eingedrungen« (so formuliert es das Gewaltschutzgesetz). Gegen diese Entscheidung legte der Mann Beschwerde ein.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 4 UF 26/16) gab ihm Recht. Wenn sich der neugierige Nachbar auf der Balkonbrüstung abstütze, verletze er vielleicht den Luftraum über dem Balkon der Frau. Dieser unverfrorene Eingriff in ihre Privatsphäre erfülle aber (noch) nicht den Tatbestand des Hausfriedensbruchs! Betreten habe der Mann den Balkon der Frau nicht.

Auch mit ihren Videoaufnahmen habe Frau X nicht belegen können, dass er noch einmal die Grenze zu ihrem Balkon überschritten habe. Frau X könne es ihm nicht verbieten (lassen), sich auf seinem Balkon aufzuhalten.

Außerdem: Würde das Hinüberlehnen als Hausfriedensbruch eingeordnet, würde man ein Verhalten kriminalisieren, das zwischen guten Nachbarn völlig normal sei, die Kontaktpflege. OnlineUrteile.de

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