Katzen und russische Trolle auf der re:publica

Kreml-Kritiker Kasparow ruft bei Digitalkonferenz dazu auf gegen russische Einflussnahme vorzugehen

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Deutschland braucht mehr Gelassenheit und Medienkompetenz im Umgang mit Fake News, da sind sich Claus Kleber und Markus Beckedahl einig. Während der eine als Chefredakteur von netzpolitik.org die Netzgemeinde vertritt, spricht der andere tagtäglich im »Heute Journal« zu Millionen Deutschen. Und beide machen sich aus ihrem Blickwinkel Sorgen um den Umgang mit dem Internet und mit Falschmeldungen.

Die Diskussion um Fake News, Botnetzwerke und gehackte Wahlen dominiert die aktuelle re:publica. Bei der Digitalkonferenz positionieren sich viele Redner gegen Überwachung und Einschränkung der Freiheit im Internet, warnen aber auch vor russischem Einfluss auf die Bundestagswahl. Gegen diesen müsse man vorgehen und auch mit mehr Empathie dagegenhalten.

»Es dauert zwei Minuten, um Fake News zu publizieren, aber drei Tage sie zu entkräften«, erläutert ZDF-Moderator Claus Kleber am Montagnachmittag auf der re:publica. Beim Panel »Verlässlicher Journalismus im Datensturm« erzählt Kleber, wie ZDF-Journalisten Fakten checken. Auch auf anderen Diskussionsforen, wie dem »Democracy Lab« der Süddeutschen Zeitung, ist das Bemühen deutscher Medien erkennbar, vermeintlich oder real verlorene Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen und im »Informationskrieg« im Internet die Oberhand zu behalten. Der Journalismus brauche »mehr Ruhe« sagt Kleber. Er will die Geschwindigkeit in der Berichterstattung zugunsten von Qualität drosseln. Gleichzeitig müsse dem Bürger mehr Medienkompetenz vermittelt werden.

Das denkt auch Markus Beckedahl. Der Netzaktivist beginnt mit einem Katzenvideo, das sei auch fast das einzige positive an seinem Vortrag, 2016 sei kein gutes Jahr für den Datenschutz in Deutschland gewesen. Wie Kleber sorgt er sich um die Medienkompetenz der Deutschen. »Wir investieren nur 1 bis 20 Cent pro Bürger an Steuermitteln je nach Bundesland«, empört sich der Chefredakteur von netzpolitik.org. Beckedahl wünscht sich, dass es 1 bis 2 Euro pro Bürger werden, damit User im Netz Falschmeldungen besser einschätzen können. Außerdem dürfe die Antwort auf Fake News nicht mehr Überwachung, sondern eine bessere Anwendung der bestehenden Gesetze sein.

»Staat, Firmen und Zivilgemeinschaft müssen gemeinsam gegen Hackerattacken auf Wahlen vorgehen«, fordert Garri Kasparow. Es gäbe einen gewissen Fatalismus in der Berichterstattung über Fake News und Social Bots, widerspricht er der Moderatorin, die eine gefährlich Bedrohung durch Russland suggeriert. Russlands Präsident Wladimir Putin sei nicht in einer Position der Stärke, zeigt sich der Ex-Schachweltmeister überzeugt. Der russische Bürgerrechtler meint, Putin stehe »mit dem Rücken zur Wand«.

Die von Sanktionen geschwächte Macht Russlands sollte nicht überschätzt werden, der Westen sei »militärisch und politisch weit überlegen«, erklärt Kasparov. Der meinungsstarke Aktivist, der auch als Sicherheitsberater für die Anti-Viren Softwarefirma Avast arbeitet, ist überzeugt, dass Putin auch versuchen werde die Bundestagswahl zu beeinflussen. Und er ruft die Netzgemeinde auf, russische Propaganda und Botnetzwerke »aufzudecken«, unter Beifall der Konferenzteilnehmer.

Politische Manipulation durch Hackerangriffe und die anschließende gezielte Veröffentlichung von vermeintlich kompromittierendem Material werde in Zukunft schwieriger, prognostizieren Vice-Motherboard Journalist Joseph Cox und Sicherheitsforscher Thomas Rid vom Kings College in London am Montagabend.

Der Hackerangriff auf das Zentralkomitee der Demokraten vor den US-Wahlen im November vergangenen Jahres habe die Verantwortlichen sensibilisiert, damals hätten sich die US-Medien zu »Puppen« russischer Einflussnahme machen lassen. Am vergangenen Freitagabend in Frankreich hätten die französischen Medien nur auf die Existenz der Macron-Leaks verwiesen, aber über diese nicht unkritisch und ungeprüft berichtet.

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