»Hier ist die Lochung zu klein«

Beim größten Käse-Test Europas in Trier prüfen 160 Experten rund 1500 Molkereiprodukte - vier Tage lang

  • Birgit Reichert, Trier
  • Lesedauer: 3 Min.

Alles Käse. Wohin das Auge reicht: Dutzende Stücke Camembert, Emmentaler, Gouda, Mozzarella und Parmesan liegen auf den Tischen bereit. Dann schreiten die Prüfer zur Tat. In weißen Kitteln nehmen sie sich jedes einzelne Produkt vor: »Wir schauen, fühlen, riechen und schmecken«, sagt Ludwig Sontheim beim größten Käse-Test Deutschlands am Dienstag in Trier. Er ist einer von rund 160 Experten der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), die bis Freitag rund 1500 Käse und Frischkäse unter die Qualitätslupe nehmen.

Zunächst knöpft sich Sontheim aus dem Allgäu die Emmentaler vor. Und schon fällt ihm ein Fehler auf. »Hier ist die Lochung zu klein«, kommentiert er bei einem Produkt und trägt das in eine Liste ein. Ungefähr walnussgroß müssten die Löcher schon ausfallen. Beim nächsten Exemplar dagegen ist er begeistert: »Hier sind die Löcher groß und glatt, es gibt keine Risse im Käse.« Er nimmt das backsteingroße Stück in die Hand und kostet. »Sehr fein«, sagt er.

Rund 100 Hersteller aus Deutschland und Nachbarländern wie Frankreich, Schweiz, Niederlande und Italien haben Käse zum Mega-Test geschickt. Die Auszeichnungen der DLG seien begehrt, sagt Leiterin Inka Scharf. Wer sie bekomme, stehe in rund fünf Wochen fest. Die Medaillen der DLG seien »ein wichtiges Label in der Vermarktung«. »Der Handel fragt danach«, sagt in Berlin der Hauptgeschäftsführer des Milchindustrie-Verbands, Eckhard Heuser. Der Käsemarkt ist groß: Pro Jahr werden bundesweit 2,3 Millionen Tonnen Käse hergestellt, der Umsatz liegt laut Heuser bei rund sechs Milliarden Euro. Jeder Deutsche verspeist im Schnitt pro Jahr rund 24 Kilogramm. Damit steht Deutschland beim internationalen Vergleich auf Platz drei - nach Griechenland und Frankreich, wie Lebensmittelexpertin Scharf sagt. Die beliebtesten Sorten sind Verbandsangaben zufolge Edamer, Gouda und Mozzarella.

Der Markt sei in Bewegung, betont Scharf. »Jedes Jahr kommen einige hundert neue Produkte dazu.« Im Trend liege derzeit der aus England stammende Cheddar. Der Hartkäse habe das Zeug dazu, mittelfristig den Gouda ein Stück weit zu verdrängen. Er sei bei Geschmack, Reifung und Qualität ebenso vielfältig wie Gouda. »Und er ist «scheibenfähig», was ihn massentauglich macht.« Sehr gefragt seien momentan auch »saisonale und regionale Käsesorten«: »Käse mit Heimat« sozusagen, beispielsweise mit Milch aus den Alpenregionen.

Die Prüfer aus insgesamt sechs Nationen haben ihre eigene Fachsprache: »Der Mozzarella bricht faserig. Und er schmeckt milchig, wie es sich gehört«, sagt Richard Nisseler aus dem Allgäu.

Andere sprechen beim Schnittkäse von einem »brandigen« oder »dumpfen Geruch«, der Geschmack könne »malzig« oder »muffig« sein. Die Experten bewerten aber nicht nur Aussehen, Geruch, Geschmack und Konsistenz, sondern auch Verpackung und Kennzeichnung. Ziel des Tests sei, die Qualität der Produkte nachhaltig zu steigern, sagt DLG-Sprecherin Regina Hübner.

Rudolf Raith aus Triesdorf in Bayern betrachtet die Camemberts. »Ich schaue, ob es bei der Schnittfläche eine Verfärbung oder Lochbildung gibt.« An diesem Tag wird er - wie alle anderen auch - insgesamt 40 Käse probieren. Die meisten Käsestückchen schluckt er, nur einen Teil spuckt er wie bei einer Weinverkostung aus. »Dazwischen neutralisiere ich mit Wasser oder Brot.« Kollege Sontheim ergänzt, klar sei: »Am Ende des Tages brauchen wir alle einen Schnaps.« dpa/nd

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