Labour blinkt links

Entwurf des Wahlprogramms der britischen Sozialdemokraten durchgesickert

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Entwurf des Labour-Wahlmanifests war zwar klar mit dem Wort »vertraulich« gekennzeichnet. Aber wie es im britische Politikbetrieb nicht unüblich ist, wurde das Dokument dennoch der Presse zugespielt. Einzelne Punkte können noch immer geändert werden – und zu diesem Zweck traf sich das Führungsteam der Partei am Donnerstag –, aber in Umrissen zeichnet das Papier ein Bild des Programms, mit dem die Partei die Wahlen am 8. Juni zu gewinnen versucht. Wie es unter der Führung des Vorsitzenden Jeremy Corbyn nicht anders zu erwarten war, finden sich einige dezidiert linke Vorschläge.

Verstaatlichung von Post geplant

So verspricht Labour, die Eisenbahn und die Post zu verstaatlichen, sowie ein staatliches Energieversorgungsunternehmen zu gründen, das neben den privaten Dienstleistern operieren wird. Zudem sollen die Studiengebühren abgeschafft und jährlich 100.000 Gemeindewohnungen gebaut werden. Dem Gesundheitsdienst will Labour mit zusätzlichen 6 Milliarden Pfund (7,1 Milliarden Euro/7,8 Milliarden Franken) pro Jahr unter die Arme greifen, und auch für die Kinderbetreuung wird laut den Plänen mehr Geld eingeplant.

Ungeachtet der Reaktionen der konservativen Presse, die darin einen »Rückschritt in die 70er-Jahre« sieht, stoßen solche Vorschläge laut Erhebungen bei der Bevölkerung auf relativ breite Zustimmung. Das Umfrageinstitut YouGov kam vor zwei Jahren zum Schluss, dass die Briten eine staatliche Kontrolle der Versorgungsunternehmen und der Post bevorzugen würden. Und dass eine Mehrheit die Verstaatlichung der Eisenbahn begrüßen würde, ist seit vielen Jahren bekannt.

Labour will bei jungen Wählern punkten

Besonders bei jungen Leuten wird Labour mit dem Versprechen, die Studiengebühren abzuschaffen, kräftig punkten können. 2010 wurden die Gebühren verdreifacht, auf 9000 Pfund. Die Tatsache, dass die Liberaldemokraten trotz gegenteiliger Versprechen diese Erhöhung mitgetragen haben, ist zu einem guten Teil verantwortlich dafür, dass die Partei in den letzten Wahlen viele Stimmen verlor.

In Bezug auf den EU-Austritt schlägt Labour einen alternativen Ansatz zum »harten« Brexit von Regierungschefin Theresa May vor: Der Zugang zum Binnenmarkt soll beibehalten, die Rechte der EU-Bürger garantiert werden. Zudem will Labour sicherstellen, dass es keine Abstriche bei den Arbeitnehmerrechten und dem Umweltschutz gibt (Lesen Sie das volle Programm hier).

Schattenfinanzminister John McDonnell wies gegenüber BBC Vorwürfe zurück, das Programm sei nicht zeitgemäß: Bei der Energieversorgung etwa schlage Labour Maßnahmen vor, wie sie in den vergangenen Jahren auch in anderen europäischen Staaten umgesetzt worden seien. »Dies sind extrem moderne, progressive Vorschläge.«

Chancen steigen

Was die Außenpolitik anbelangt, musste die Parteiführung jedoch Konzessionen an die weniger linke Parlamentsfraktion machen: Obwohl sich Corbyn jahrzehntelang für die Abschaffung von Nuklearwaffen eingesetzt hat, ist die Erneuerung der Atom-U-Bootflotte Trident Teil des Manifests. Ebenso sollen die von der NATO angestrebten Verteidigungsausgaben – 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – beibehalten werden.

Doch insgesamt baut das Wahlprogramm auf jenen politischen Grundsätzen auf, mit denen Corbyn zwei Mal zum Labour-Vorsitzenden gewählt wurde. Wie der Parteichef bereits zum Auftakt des Wahlkampfs angedeutet hat, läuft Labours Strategie bis zum 8. Juni darauf hinaus, eine möglichst klare Alternative zur Politik der regierenden Tories zu bieten. Einen Hinweis darauf, dass diese Strategie nicht verkehrt ist, boten die Wettbüros: Betfair berichtete am Donnerstag, dass Labour zwar noch immer der haushohe Außenseiter ist, dass sich aber die Labour-Chancen auf einen Wahlsieg nach Bekanntwerden des Manifests immerhin von 1 zu 189 auf 1 zu 49 erhöht haben.

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