Bauplatz von Möbelkette wurde besetzt

In Kiel wird um eine frühere Gartenkolonie gestritten

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine am 28. April erfolgte Geländebesetzung in Kiel lässt in der schleswig-holsteinischen Hauptstadt zwei Themen hochkommen: den Mangel an bezahlbarem Wohnraum und den Streit um ein geplantes Möbelhaus, dessen Baubeginn indes seit über drei Jahren auf sich warten lässt.

Die linksalternative Besetzerinitiative nennt sich »Wagengruppe Prüner Schlagloch« - nach dem besetzten Areal, dem Prüner Schlag. Dort befand sich eine idyllische Kleingartenanlage, bis die Stadt das Grundstück dem Möbelgiganten überließ, der dort eine Filiale errichten will. Dieses Ansinnen war in der Bevölkerung hochgradig umstritten und hatte 2014 sogar zu einem Bürgerentscheid geführt, den die Stadtverwaltung als Befürworter der Möbelhauspläne gegen Naturschützer nur hauchdünn gewann. Nun wärmen etliche Aktivisten, die auf dem Gelände Bauwagen, Wohnmobile und bewohnbare Lkw abgestellt haben, diese Debatte gewissermaßen wieder auf.

An die verdrängten Laubenpieper erinnert auf dem Prüner Schlag kaum noch etwas. Das Gelände ist in einem fast bebauungsfertigen Zustand. Doch der Baubeginn lässt auf sich warten - obwohl die Möbelhauskette einst so sehr zur Eile gedrängt hatte, um ihr 65-Millionen-Projekt auf 40 000 Quadratmetern voranzutreiben. Es hatte zwar wegen der Einarbeitung von Umweltauflagen Verzögerungen gegeben, doch längst liegt der rechtskräftige Bebauungsplan Nummer 988 vor. Dem zufolge hat die Möbelkette allerdings nur noch bis zum Sommer Zeit für einen Bauantrag - und muss die Eröffnung spätestens 2021 erfolgen.

Rolf Scheel, einer der früheren Kleingärtner, fühlt sich getäuscht. Bis heute sind die von Investor und Stadt in Aussicht gestellten 250 bis 300 neuen Arbeitsplätze nur Fantasie. Die örtliche LINKE hatte sich von Anfang an gegen das Projekt ausgesprochen, sie fürchtete Kannibalisierungseffekte in der regionalen Möbelbranche und eine Abwärtsspirale bei den Arbeitsbedingungen durch einen ungesunden Verdrängungswettbewerb.

Die Besetzer wollen nicht zuvörderst gegen das Möbelhaus protestieren. Ihrer Sprecherin Larissa Schmidt zufolge richtet sich die Aktion vor allem gegen die Stadt Kiel. Die solle alternative Wohnformen und Freiräumen fördern. Die Besetzer würden den Prüner Schlag verlassen, wenn ihnen eine adäquate Fläche zur Verfügung gestellt werde. Laut Möbel Kraft ist die derzeit besetzte Fläche ohnehin nicht für eine Bebauung vorgesehen, sondern für eine Grünanlage.

Bis dato herrscht eine friedvolle Stimmung rund um den besetzten Platz. Es hat erste Gespräche gegeben. Die Polizei hat nach eigenen Angaben ein Auge drauf, ist aber ansonsten bisher in keiner Weise eingeschritten. Möbel Kraft hatte den Besetzern bis zum 8. Mai ein Ultimatum gestellt, das Gelände zu verlassen. Das ist nicht passiert. Inzwischen sei, so ein Unternehmenssprecher, Anzeige wegen Hausfriedensbruchs gestellt worden, auch aus versicherungsrechtlichen Gründen. Stefan Rudau, Ratsherr der Kieler Linkspartei, sieht derzeit hingegen keinen Handlungsdruck. Die Aktivisten störten niemanden und richteten auch keinen Schaden an.

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