nd-aktuell.de / 15.05.2017 / Politik / Seite 7

Rote Fahnen und rote Linien

Dänische Einheitsliste feiert Jahreskongress und will nie wieder Stimmvieh sein

Andreas Knudsen, Kopenhagen

Kernpunkt der dreitägigen Debatte der rot-grünen Einheitsliste auf ihrem Kongress von Freitag bis Sonntag war, wie sich die Partei künftig gegenüber einer sozialdemokratischen Regierung und deren Programm verhalten wird. Die Erfahrungen der Jahre 2011 bis 2015 hatten zu der Erkenntnis geführt, dass eine bedingungslose Unterstützung fehl am Platze ist, wenn wesentliche Teile der Wirtschaftspolitik gemeinsam mit bürgerlichen Parteien gestaltet werden. Vorstand wie Mitglieder wollten nach zwei Jahren Diskussion herausarbeiten, wo die roten Linien gezogen werden sollen.

Endgültige Fassungen werden im Herbst durch den Vorstand vorgenommen. Aber der Kongress beschloss die grundlegenden Regeln. Eine Grenze wird gegen eine substanzielle Verschlechterung für Arbeitende wie Arbeitslose gezogen. Was nun aber unter substanziell zu verstehen sei, muss noch beantwortet werden. Vorsitzende Pernille Skipper und andere Vorstandsmitglieder unterstrichen, dass ein Misstrauensvotum und der Sturz einer Mitte-Links-Regierung Teil der Überlegungen werden. »In einer eventuell folgenden Wahl muss dann die Bevölkerung entscheiden, ob man solche Einschränkungen hinnehmen will und möglicherweise eine bürgerliche Regierung wählt. Das müssen wir dann akzeptieren, aber in so einem Fall haben wir das unsere getan, es zu verhindern,« erklärte Pelle Dragsted, Parlamentsmitglied und inoffizieller Chefideologe der Partei, die Position der Liste.

Weniger Gewicht wurde auf die Ausländer- und Einwanderungsfrage gelegt, lediglich die Einhaltung internationaler Konventionen gefordert. Eine überwältigende Mehrheit der Parteien und der Bevölkerung fordert eine straffe Politik und Begrenzungen. Die Einheitsliste steht auf einem recht einsamen Posten.

Der Kongress nahm ein feministisches Arbeitsprogramm an, das der Liste auch einen größeren Anteil von Frauen auf kommunaler Ebene sichern soll. Bei den Wahlen im Herbst machen Frauen nur 30 Prozent der Kandidaten aus. Der Vorstand bedauerte, dass es nicht gelungen sei, den Frauenanteil zu erhöhen. Eine Quote wurde als unrealistisch angesehen.

Auf dem Kongress selbst hielten aber ausschließlich Frauen die thematischen Hauptreden, übernahmen alle Sprecherposten und lieferten nach Möglichkeit jeden zweiten Diskussionsbeitrag. Die Basis und die Mehrheit der männlichen Delegierten nahm das nicht immer wohlwollend auf.

Mit knapper Mehrheit angenommen wurde das feministische Arbeitsprogramm des Vorstandes, das jedoch mit einem radikaleren Entwurf einer Basisgruppe konkurrieren musste. Gestrichen wurde ein Passus, der sich auf den Kampf gegen soziale Kontrolle von Frauen und Mädchen in gewissen Einwandererkreisen bezog. Dieser wurde als diskriminierend kritisiert, verdeutlicht aber gleichzeitig auch Berührungsängste.

Für die Kommunalwahlen legte der Kongress fest, dass die Kandidaten der Partei sich auf die Verbesserung des bürgernahen Service konzentrieren. Geld solle vor allem für Alten- und Kinderbetreuung sowie Bildung ausgegeben werden. Die Senkung kommunaler Steuern versucht die Partei abzuwehren.

Die Delegierten schätzten ein, dass die Wählerbasis stabil ist und die Liste bei Neuwahlen Stimmen hinzu gewinnen und über acht Prozent kommen könne. Heiß diskutiert wurden Platzierungen auf der Landesliste. Ein Kandidat, der mit dem Thema bewaffneter Aufstand punkten wollte, wurde allerdings als letzter auf die Liste gesetzt. Er hat keine Aussicht, in das Parlament einzuziehen. Das verärgerte viele. Sie klagten, dass die Aufgabe radikaler Positionen der Preis für kommunalen Einfluss und Parlamentsmandate zu sein scheint.