Spaniens Sozialisten auf Kurssuche

Nach den Niederlagen bei den Parlamentswahlen ist die Kluft zwischen Parteiführung und Basis tiefer denn je

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 5 Min.

Taucht er wie Phönix aus der Asche wieder an der Parteispitze auf? Pedro Sánchez’ Karriere in der sozialdemokratischen Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) schien nach zwei verlorenen Parlamentswahlen und dem gescheiterten Versuch, eine Spanien-weite Linksregierung zu schmieden, beendet. Die Parteirechte sägte Sánchez nach den Fehlschlägen im vergangenen Oktober ab, die Parteibasis blieb außen vor. Am Sonntag hat die Basis das Wort: Sie kürt mit einer Urwahl den neuen Generalsekretär. Zur Auswahl stehen neben Pedro Sánchez die andalusische Regionalfürstin Susana Diáz und der baskische Parteichef Patxi López.

Pedro Sánchez könnte am Sonntag für eine Überraschung sorgen und erneut Parteichef werden. Das wäre ein Sieg über den Parteiapparat und die Mehrzahl mächtiger Lokalfürsten. Sie unterstützen die andalusische Regierungschefin Susana Diáz, die zum rechten Flügel der Sozialdemokraten gehört. Im Apparat und der von ihm nach Sánchez’ Abgang eingesetzten Interimsführung macht sich Panik breit. Als die Unterstützerunterschriften der Kandidaten veröffentlicht wurden, war klar, dass der Sieg der Andalusierin wackelt. Sie lag mit gut 59 000 nur 6000 Stimmen vor Sánchez. Fern ihrer Heimat, wo Díaz die Partei kontrolliert, hatte Sánchez sogar mehr Unterstützer, denn 40 Prozent aller Díaz-Unterstützer kamen aus Andalusien.

Der Dritte im Bunde, Patxi López, ist abgeschlagen. Er kam nur auf knapp 11 000 Unterstützer und steht zwischen den Fronten, die aufeinander einprügeln. Er versucht, sich als Konsens-Kandidat darzustellen, um die tiefen Gräben in der Partei zu überwinden, die am Rand einer Spaltung steht. Da ihn seine bekannten Unterstützer verlassen, ist er chancenlos.

Während López’ Chancen gegen Null gehen, erhält Sánchez Auftrieb. Am Dienstag hat sich auch Francina Armengol für ihn ausgesprochen. Für die Regierungschefin der Baleareninseln sei über die Unterschriften klar geworden, dass es nur »zwei Personen mit zwei Modellen« gibt, die siegen können. Sie hat López aufgefordert, sich ebenfalls Sánchez anzuschließen. »Viele Mitglieder und Führungspersonen, die Patxi bisher unterstützten, haben ihm dies angeraten.« Auch Sánchez hatte López schon eine Kooperation angeboten. Doch der lehnte ab: »Meine Kandidatur wird nicht zurückgezogen.«

Mehr als 120 000 der 180 000 PSOE-Mitglieder haben sich per Unterschrift bereits festgelegt. Im Sánchez-Lager glaubt man, dass López die Andalusierin stützen wird. Anhänger des ehemaligen Generalsekretärs führen auch die Fernsehdebatte am Montag an, in der der Baske mit Díaz vor allem Sánchez angriff. Die PSOE-Abgeordnete Susana Sumelz versteht nicht, »warum sich López uns nicht anschließt, der unserem Projekt näher steht als dem von Susana Díaz.«

Wem López näher steht, ist umstritten. Denn der Graben verläuft an der Frage, wie mit der in Korruptionsskandalen versinkenden rechten Volkspartei (PP) verfahren wird und ob man auch mit der linken Partei Podemos (Wir können es) koaliert, um sie abzulösen. Um Linke hat López stets einen großen Bogen gemacht. Von 2009 bis 2012 regierte er im Baskenland mit den Stimmen der rechten PP. Das war nur möglich, da zuvor die linke Batasuna verboten worden war.

Und Sánchez wurde im Herbst mit López Billigung gestürzt, weil er am PSOE-Wahlversprechen festhielt, den rechten PP-Chef Mariano Rajoy unter keinen Umständen, auch nicht durch Enthaltung, wieder in die Regierung zu befördern. Er war bereit, mit Podemos und Regionalparteien aus Katalonien und dem Baskenland eine Regierung zu bilden, um der PP-Korruption und ihrer Austeritätspolitik ein Ende zu bereiten. Doch die Interimsführung drückte gegen alle Versprechen durch, Rajoy durch Enthaltung erneut zur Macht zu verhelfen.

Dem Verhalten der Interimsführung kann Pedro Sánchez nichts abgewinnen: »Die PSOE muss die Partei der Mitglieder sein und nicht der Honoratioren und sie muss mit anderen Kräften den Wechsel herbeiführen.« Ihm gilt das Nachbarland Portugal als Vorbild, wo eine Linksregierung erfolgreich amtiert.

Susana Díaz versucht, sich als »Siegerin« darzustellen, um die PSOE erneut zur »Sieger-Partei« zu machen. Sie hat zwar in Andalusien 2015 erneut gewonnen, doch von absoluten Mehrheiten ist in der traditionellen sozialistischen Hochburg keine Spur mehr. Die PSOE stürzte dort auf ihr historisch schlechtestes Ergebnis von 35 Prozent ab. Statt mit Podemos zu koalieren, regiert sie mit Hilfe der neoliberalen Ciudadanos (Bürger).

In Andalusien stützen die Ciudadanos die PSOE, in Madrid entgegen ihres Wahlversprechens die PP-Minderheitsregierung von Rajoy. Was Díaz programmatisch will, hat sie bis zum Redaktionsschluss noch nicht öffentlich klargestellt. In Andalusien macht sie Austeritätspolitik, gegen die es immer wieder massive Proteste gibt. Dass die Arbeitslosenrate mit 30 Prozent dort noch weit über dem Landesdurchschnitt von knapp 20 Prozent liegt, spricht nicht gerade für Kompetenz, um Spanien aus der Misere zu führen.

Díaz ist Podemos und der Empörten-Bewegung in tiefer Abneigung verbunden, weil sie die PSOE-Vorherrschaft von links erfolgreich angegriffen haben. Und so erklärte Díaz am sechsten Jahrestag der Entstehung der Bewegung am 15. Mai: »Viele, die sich über uns aufregen, dachten, auch sie könnten ein Häuschen am Meer haben und ihre Kinder an die Universität schicken.« Eine unverschämte Ansage, die vielen an der PSOE-Basis klar machte, dass sie die Bodenhaftung verloren hat. Nicht wenige befürchten eine Spaltung der PSOE, sollte sich Díaz durchsetzen. Sie werde die Partei - so wie Hollande in Frankreich - mit einem Rechtskurs in die Bedeutungslosigkeit führen. Dabei zeige der Sozialist Antonio Costa in Portugal, wie es zusammen mit linksradikalen Kräften anders geht. Und Portugal ist sogar wirtschaftlich auf gutem Wege, seit der Austeritätspolitik der Rücken gekehrt wurde.

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