Ein Airbag für den Kopf

Für Radfahrer, die nicht gerne mit Fahrradhelm fahren, gibt es den »Hövding«

  • Maria Indyk
  • Lesedauer: 3 Min.

Als geradeaus fahrende Radlerin bin ich für Rechtsabbiegende ein Verkehrshindernis. Das Resultat ist ein Päuschen mit einer Körperhälfte auf dem Autodach. Das Geräusch, das ich hinterlasse, löst die Zungen der im Wagen Sitzenden. »Kannst du nicht aufpassen?« »Musst du hundert fahren?« »Jetzt hat mein Dach auch noch ne Delle und der Lack ist ab.«

In solchen Situationen wünsche ich mir eine Art Ganzkörperschutz. Eine sich beim Aufprall auslösende Polsterung, die Arme, Beine und Rücken schützt. Mich in einen Springball verwandelt und damit der Karosserie einen ordentlichen Denkzettel verpasst. Eine wahre Freude wäre eine Art unauslöschliche Markierung zu hinterlassen, für Missachtung der Vorfahrtsregeln und Schuldzuweisungen in Duform. Da ich täglich den Drahtesel benutze, sind meine Erlebnisse auf Berliner Straßen vielfältiger Natur. Diese werden meistens kommentiert mit: »Du solltest wirklich einen Fahrradhelm tragen«. Nur schränkt der mein Gefühl von Freiheit ein, macht die Frisur kaputt und ist überdies ein sperriges Gepäckstück. Als modisches Accessoire geht er schon gar nicht durch. Mein Fahrradhelm müsste nur sichtbar sein, wenn ich stürze. Fast so modisch sein wie ein Halstuch und leicht in einer Tasche zu verstauen. Das Schönste: Es gibt ihn wirklich und er heißt Hövding. So nennt er sich, der Airbag für Fahrradfahrende. Das schwedische Wort bedeutet »Häuptling«. Anna Haupt und Terese Alstin haben den Airbag anlässlich einer Examensarbeit im Fach Industriedesign entwickelt. Wie ein Schal wird er um den Hals gelegt und vor der Fahrt aktiviert. Man schließt den Reißverschluss, an dem ein schmales Band als Ein-/Ausknopf wie ein Druckknopf funktioniert, wenn es auf der rechten Seite des Kragens mit dem Gegenstück verbunden wird. Ein Tonsignal und eine Leuchtdiode zeigen die Inbetriebnahme an. Beim Ausschalten unterscheidet sich der Ton und das visuelle Signal erlischt. Die Batterieanzeige des Hövdings zeigt an, wann er mittels USB-Kabel aufgeladen werden muss. Das gelingt mit einem Handyladegerät oder mittels eingeschalteten PC.Ist der Batteriestand kritisch, ertönen zehn Tonsignale hintereinander bevor sich der Hövding von selbst ausschaltet.

Ist der Airbag bei einem Fahrradunfall aktiviert, bläst er sich in einer Zehntelsekunde auf. Bevor der Kopf aufschlägt, ist der Airbarg voll aufgeblasen und schützt so große Bereiche des Kopfes und den Hals. Damit sich der Hövding nur bei einem Unfall auslöst, wird das Bewegungsmuster des Radfahrenden mittels Sensoren erfasst. Unterschieden wird zwischen normalen und abnormalen Bewegungen. Zu ersteren zählen das Auf- und Absteigen und alle Bewegungen auf dem Zweirad. Bei Unfällen ist das Bewegungsmuster völlig anders. In diesem Fall schicken die Sensoren das Signal zum Aufblasen an den Gasgenerator. Das Infoblatt verspricht, dass der Airbag nur auslöst, wenn »die Gefahr für ein Aufschlagen mit dem Kopf groß ist«. Sieht man sich das Prospekt des Hövding an, so erinnert der aufgeblasene Airbag an eine Trockenhaube, die allerdings ein Sichtfeld frei lässt. Ausgelöst gewinnt das gute Stück - so gesehen - auch keinen Wettbewerb für gutes Aussehen. Allerdings hat man nach dem Aufprall mit einem fahrbaren Untersitz ganz andere Sorgen. Ich habe mir angewöhnt, mich dem Verkehr mit dieser »Halskrause« zu stellen. Als ich den Airbag als überdimensionales Halstuch präsentierte, lautete die Antwort: »Könnte ein Rückenmassagerät oder ein Geldtresor sein, sieht aber eher wie eine Haifischflosse aus!«. Die Frage nach meiner Zufriedenheit bleibt unbeantwortet. Glücklicherweise hat er mein Haupt noch nicht unter seinem Schutz stellen müssen.

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