Fluchtursachen entstehen durch die Politik der G20

Der Hamburger Flüchtlingsrat kämpft gegen Grenzen, Lager und Neokolonialismus

  • Flüchtlingsrat Hamburg
  • Lesedauer: 5 Min.

Die internationale Konkurrenz und die weltgesellschaftlichen Ungleichheiten seit Ende des Zweiten Weltkriegs führen zu immer schnelleren und repressiveren Verhältnissen weltweit, in denen das global herrschende Kapital und die Länder des Nordens die südliche Welt immer mehr ausbeuten und die Ungleichheiten auch in den reicheren Gesellschaften immer mehr zunehmen. Um diese Ausbeutung und das Reproduktionsniveau jedes Einzelnen in den profitierenden Gesellschaften aufrechtzuerhalten, bedarf es weltweit immer rigiderer Maßnahmen, zu denen jede Art von Auslagerung gehört. Flüchtlingslager sind nur ein Beispiel. In der Konsequenz schlagen diese Maßnahmen immer mehr zurück – in Form von Klimawandel, von Terroranschlägen in den Ländern des globalen Nordens und Flüchtlingsströmen.

Die rigiden Entscheidungen der G20-Staaten werden unter aller Augen durch das konkurrierende Kapital und seine politischen und medialen Vasallen getroffen, um Märkte, Einflusssphären, ungleich verteilten Wohlstand und Lebensweisen zu retten. Dabei bleiben universelle Rechte und errungene Menschenrechte gegenüber den Ausgebeuteten, den Kriegs- und Klimaopfern, den Flüchtenden, auf der Strecke.

Ging es bis Ende der 1990er Jahre noch um Eindämmung von Freizügigkeit und um Kürzung von Leistungen, geht es heute um Leben und Tod. Die Regierungen der G20-Staaten stehen für eine Politik der Zerstörung von Lebensgrundlagen in den Ländern des globalen Südens und damit für die Produktion von Fluchtursachen. Sie stehen für die Abschottung der ökonomisch reichen Staaten gegen die Menschen aus den arm gehaltenen Ländern des Südens, für Zäune und Mauern, den Tod von Tausenden von Geflüchteten auf dem Mittelmeer und in der Wüste, für die Verschärfung von Ausgrenzung und Lagerhaltung, für Abschiebung in Verfolgung, Hunger, Krieg und Elend, für erpresserische Abschiebeabkommen, Konditionalisierung von Entwicklungshilfe und neokoloniale Handelsverträge.

Gegen diese Machenschaften kämpfen wir seit Jahren, indem wir uns mit vielen anderen für offene Grenzen und sichere Fluchtwege, gegen Abschiebungen und für ein Bleiberecht für alle Geflüchteten engagieren. Zusammen mit Geflüchteten-Organisationen kämpfen wir für gleiche Rechte und Bewegungsfreiheit. Wenn die Verursacher und Verantwortlichen dieser skrupellosen Unterdrückungspolitik nun in unsere Stadt kommen, ist es für uns keine Frage, dass wir dies nicht tatenlos hinnehmen, sondern uns an den Protesten in vielfältiger Weise beteiligen werden und uns solidarisch mit allen zeigen, die in diesen Tagen ihren Widerstand zum Ausdruck bringen.

In welcher Weise beteiligen wir uns?

Zunächst beteiligen wir uns am Protest gegen die G20-Africa-Partnership-Konferenz am 12./13. Juni in Berlin und mobilisieren zur bundesweiten Demo am 10. Juni, die anlässlich der Berliner Aktionstage stattfindet. Zu dieser Konferenz sind in neokolonialer Manier Vertreter*innen von 58 afrikanischen Staaten eingeladen, um mit europäischen Politiker*innen und Wirtschaftsvertreter*innen einen »Marshallplan mit Afrika« zu diskutieren. Ihr Ziel ist, Migration zu stoppen durch Investitionen in den Herkunfts- und Transitländern von Geflüchteten. Tatsächlich wird es vor allem um eine Ausweitung des Profits europäischer und internationaler Konzerne gehen und die wirklichen Fluchtgründe werden dadurch nicht vermindert, sondern noch verstärkt. Die Regierungen der afrikanischen Länder werden unter Druck gesetzt, für Europa die Rolle des Grenzwächters zu spielen und Abschiebungen zu akzeptieren – oder kein Geld zu bekommen.

Als Flüchtlingsrat unterstützen wir auch die Demonstration von Geflüchteten und Migrant*innen am 24. Juni in Hamburg. Hier werden wir lautstark für die Rechte von Geflüchteten und für Bewegungsfreiheit, gegen Rassismus, Ausgrenzung und Abschiebungen auf die Straße gehen. Es soll auch gegen die NATO-Kriege und die Ausbeutung ihrer Länder protestiert werden, die immer mehr Menschen dazu zwingen, ihre Herkunftsländer zu verlassen. Wegen der geschlossenen Grenzen riskieren sie ihr Leben auf dem Meer oder in der Wüste. Sie kommen hierher, weil die führenden G20-Staaten ihre Länder zerstören. Dies soll an diesem Tag einmal mehr unübersehbar und unüberhörbar durch Geflüchtete selbst deutlich gemacht werden.

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Beteiligung ist die Mobilisierung von Geflüchteten und Migrant*innen und ihren Organisationen. Dies versuchen wir einerseits durch Veranstaltungen und Aktionen zum Thema Migration und andererseits durch Zusammenarbeit mit Rechtshilfegruppen, da Geflüchtete als besonders Betroffene von Kontrollen und Festnahmen während der G20-Tage besonderen Risiken ausgesetzt sein werden. Wir nehmen am »Gipfel für globale Solidarität«, der Alternative zum G20-Gipfel am 5. und 6. Juli in Hamburg, teil. Zusammen mit »medico international« organisieren wir am 6. Juli das Panel zu Migration mit Podiumsgästen aus Mexiko, Mali, Afghanistan, von »Women in exile« und »Lampedusa in Hamburg«.

Wir werden uns selbstverständlich auch an den geplanten Blockade- und Verstopfungsaktionen am 7. Juli unter dem Motto »BlockG20 - Colour the Red Zone« beteiligen. Damit werden wir ganz konkret mit vielen anderen Tausenden Sand im Getriebe dieses pompösen, provokativen Spektakels der Herrschenden sein. Wir werden den reibungslosen Ablauf des Stelldichein dieser selbsternannten Machtelite verhindern und auf unsere Themen aufmerksam machen. Bei der Großdemonstration am 8. Juli sollen die ersten Reihen von Migrant*innen, Geflüchteten und Teilnehmer*innen aus Ländern des globalen Südens gebildet werden. So wird sichtbar, wer von den G20 ausgeschlossen und über wessen Köpfe hinweg entschieden wird.

Was versprechen wir uns von den Protesten?

Wir hoffen mit vielen verschiedenen Gruppen und Menschen zusammenzukommen und voneinander zu lernen – in Diskussionen und in praktischen Aktionen auf der Straße. Wir wollen gemeinsam eine Alternative zu dem bestehenden Ausbeutungs- und Unterdrückungssystem, zu Rassismus, Sexismus und Nationalismus aufzeigen, in Form von Solidarität und gemeinsamem Protest und Widerstand.

Und last, but not least wollen wir gemeinsam der Hamburger und weltweiten Öffentlichkeit zeigen, dass die G20 die Probleme der Welt nicht lösen, sondern verschärfen werden. Und dass es breite und vielfältige Bewegungen dagegen gibt und diese weltweit immer mehr wachsen. In diesem Sinne: Globale Gerechtigkeit statt G20!

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