Eine gespaltene Stadt für Kinder

In Lichtenberg sind junge Menschen weniger arm als im Berliner Durchschnitt

  • Ellen Wesemüller
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 1. Juni ist Kindertag. Eigentlich wollte die neue Lichtenberger Jugendstadträtin Katrin Framke (parteilos, für LINKE) an diesem Tag ein Familienbüro einweihen. Doch dazu wird es nicht kommen, denn am angedachten Standort, dem Jugendamt in der Große-Leege-Straße in Hohenschönhausen, gibt es Probleme mit dem Dach.

Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, die neue Anlaufstelle für Familien soll nun Mitte Juli eröffnen. Hier sollen die Angebote, die es im Bezirk für Familien gibt, erstmals unter einem Dach zusammengeführt werden. Dafür hat die Stadträtin vier Mitarbeiter eingestellt, zwei vom Jugendamt und zwei von freien Trägern. »Die laufen jetzt schon durch den Bezirk und machen sich mit den Angeboten vertraut.« Wenn es losgeht, sollen sie den Besuchern einen Überblick geben und sie an die zuständigen Stellen weiterleiten.

Gedacht ist dieses Angebot vor allem für die vielen armen Kinder im Bezirk. Die neuesten Zahlen, die die Bildungsverwaltung im April als Antwort auf eine Schriftliche Anfrage der LINKEN-Abgeordneten Katrin Möller vorlegte, belegen allerdings, dass der Bezirk lange nicht Schlusslicht ist. Hier leben zwar 13 284 Kinder in Hartz-IV-Haushalten - aber im Bezirk Mitte sind es doppelt so viele, knapp gefolgt von Neukölln. Auch prozentual gesehen liegt Lichtenberg mit 29,5 Prozent armen Kindern knapp unter dem Berliner Durchschnitt von 30 Prozent.

Doch das ist immer noch sehr hoch: Bundesweit lag die Quote laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung vom vergangenen Jahr bei 14,7 Prozent. Dabei ist auch Berlin eine gespaltene Stadt. In Steglitz-Zehlendorf liegt der Anteil der armen Kinder bei 12,1 Prozent, in Neukölln ist mit 48 Prozent fast jedes zweite Kind arm. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte deshalb im April eine Landeskommission zur Prävention von Kinder- und Familienarmut eingesetzt. Sie soll eine gesamtstädtische Strategie entwickeln und deren Umsetzung begleiten.

Kinderarmut ist Elternarmut, das weiß auch Framke. Dabei ist der Bezirk gespalten, sagt sie: Während die Einkommen in der Rummelsburger Bucht und Karlshorst eher hoch seien, seien sie in »einigen Bezirken von Hohenschönhausen« sehr niedrig. Deshalb auch dort das Familiencafé. »Gesicherte Beschäftigung, keine Leiharbeit - das können wir leider nur bedingt ändern.«

Zudem leben hier viele Alleinerziehende, deren Risiko, arm zu werden, besonders groß ist. In Lichtenberg wird mehr als jedes dritte Kind allein aufgezogen. Diese Frauen brauchen vor allem Zeit, sagt Framke, doch auch in Lichtenberg haben Eltern Probleme, einen Kita-Platz zu finden. »Wir bauen wie die Weltmeister«, sagt die Stadträtin. Am Nachmittag geht sie auf ein Richtfest für einen Neubau. Doch es fehlen die Erzieher. »Das ist wirklich mein Albtraum.«

Die LINKE hatte Kinderarmut im Bezirk immer wieder thematisiert. So gab es 2015 eine Kampagne gegen Kinderarmut, im selben Jahr erntete Lichtenberg als einziger Berliner Bezirk das Siegel »Familienfreundliche Kommune« des gleichnamigen Vereins.

Auch Gesine Lötzsch, LINKEN-Bundestagsabgeordnete aus dem Bezirk, will helfen. Aus ihrem Portemonnaie bezahlt sie, eventuell zusammen mit dem Bezirk, eine dreiwöchige Zeltreise nach Schweden. Wer zwischen 12 und 18 Jahren alt ist und im Zeitraum 19. Juli bis 9. August Zeit hat, kann sich mit einer E-Mail bewerben. »Man muss auch mal rauskommen, statt die ganzen Ferien in Berlin auf dem Hof zu spielen«, sagt Lötzsch. Auch der Bezirk bietet armen Kindern Ferienmöglichkeiten an. »Das Geld wird gut abgerufen«, sagt Framke. Nur seien 69 000 Euro im Jahr eben nicht viel. »Das reicht hinten und vorne nicht.«

Bewerbungen für das Zeltlager unter: gesine.loetzsch@bundestag.de

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