Griechenland braucht eine Zukunft!

Gabriele Zimmer über Solidarität mit Athen und eine umstrittene Initiative von Linken, Sozialdemokraten und Grünen

  • Gabriele Zimmer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die EU-Finanzminister der Eurogruppe lassen die Menschen in Griechenland wieder hängen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) blockiert einen Kompromiss mit dem Internationalen Währungsfonds, der Schuldenerleichterungen für Griechenland fordert. Obwohl das griechische Parlament mit geballter Faust in der Tasche weiteren Kürzungen im Gegenzug für Schuldenerleichterungen zugestimmt hat, stellt Schäuble auf stur, wie ein in den Medien kursierendes, geheimes Protokoll der Eurogruppensitzung zeigt. Das ist umso abscheulicher, da die anhaltende griechische Tragödie damit begann, dass deutsche und französische Banken und ihre reichen KundInnen gerettet wurden - auf Kosten der griechischen Bevölkerung. Vor allem die Bundesregierung erzwingt soziale Brutalitäten und den Abfluss von Ressourcen aus Griechenland.

Unsere uneingeschränkte Solidarität gilt in erster Linie den Menschen in Griechenland, die unter den Kürzungsdiktaten leiden, obwohl selbst die Austeritätsfanatiker wissen, dass sie das Land einer nachhaltigen Lösung nicht näher bringen. Wir sind solidarisch mit jenen, deren Existenz auf dem Spiel steht, deren Renten und Einkommen weiter gekürzt werden, die kein Geld (mehr) verdienen können. Wir sind solidarisch mit jenen, die auf die Straße gehen, um sich gegen das Auspressen der griechischen Gesellschaft zu wehren. Viele von ihnen hatten große Hoffnung in die linke SYRIZA-Regierung gesetzt. Sie sind berechtigterweise schwer enttäuscht, dass diese jetzt die Troika-Diktate umsetzt. Ein Dilemma für uns Linke, das zentrale Fragen aufwirft: Welche Kampagne haben wir geführt, um der linken Regierung in Griechenland eine Chance zu erkämpfen? Sollten wir SYRIZA den Rücken kehren, weil der allein gelassene, erpresste Tsipras die aufgezwungenen Maßnahmen umsetzt?

Die einen meinen, die SYRIZA-Regierung hätte das Memorandum ablehnen und die Ära des Euro in Griechenland beenden können - ganz nach dem Geschmack von Schäuble. Andere sagen, dass die soziale Situation nach einem »Grexit« noch katastrophaler geworden wäre. Auch sei es ein Unterschied, ob eine linke Regierung oder neoliberale Konservative den verbleibenden Spielraum nutzen. So bewerten Linke die Entscheidung der SYRIZA-Regierung verschieden. Sollte dieses Dilemma uns Linke zum Nichtstun verdammen? Die Auseinandersetzung zwischen der neoliberalen Troika und Athen aus einer Beobachterposition zu verfolgen, kann keine linke Alternative sein.

Solidarität mit den Menschen in Griechenland UND mit unseren GenossInnen von SYRIZA ist möglich. Das heißt nicht, dass wir die Tsipras-Regierung nicht kritisieren dürfen. Aber wir können anerkennen, dass Tsipras, Efklidis Tsakalotos u. a. den EU-Finanzministern Maßnahmen abgetrotzt haben, die die schlimme Lage für viele wenigstens punktuell verbessern; die die Reichen und Steuerflüchtigen zur Verantwortung ziehen; die Reformen einleiten, die auf soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung abzielen. Axel Troost hat das in seinem Faktencheck zu Griechenland gut analysiert. Wir können solidarisch sein, wenn unsere GenossInnen gegen die von Schäuble dominierte Eurogruppe um einen Schuldenerlass kämpfen, aus einer äußerst geschwächten Position heraus. Vielleicht wäre ihre Position stärker, hätten wir es als Linke in Deutschland ausreichend geschafft, Schäuble und seine EU-Politik unter Druck zu setzen.

Wir sollten jede Chance nutzen, um der griechischen Regierung zu helfen, ihren Spielraum gegenüber der neoliberalen Übermacht zu erweitern. Gerade deutsche und französische Linke sollten demokratische Initiativen in diese Richtung unterstützen. Als Fraktionsvorsitzende der Linken im EU-Parlament habe ich mich mit den Vorsitzenden der Sozialdemokraten und Grünen vor der Eurogruppen-Sitzung letzte Woche an die EU-Finanzminister gewandt, um sofortige Verhandlungen über einen Schuldenerlass zu fordern. Ziel war, der Gruppe zu zeigen, dass die Front gegen die neoliberale Austeritätspolitik breiter geworden ist. Einige Linke haben mir deshalb unterstellt, so die Memoranden anzuerkennen und den Menschen in Griechenland Solidarität zu verweigern. Im Gegenteil. Schäubles Blockadehaltung in dieser Sitzung zeigt, dass wir alle endlich den Druck auf ihn und die Finanzminister erhöhen, sie zur Abkehr vom gescheiterten Spardiktat zwingen müssen. Die Menschen in Griechenland brauchen wieder eine Zukunft. Jetzt!

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