Aus Liebe zum Fußball

Real Madrid hat ein Ensemble beisammen, das unter Zinedine Zidane auf meisterhafte Art eine neue Ära prägt

  • Frank Hellmann, Cardiff
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist eine müßige Debatte, ob es so viel Feuer, Rauch und Donner zu einem Fußballspiel wirklich braucht. Hierzulande wird ja viel getan, um jede Unart der Pyrotechnik aus den Stadien zu verbannen, aber die europäische Dachorganisation UEFA hat zur Königsmesse im Millennium Stadion von Cardiff seine eigene Interpretation ausgelebt: Vom geschlossenen Dach sprühten Silberfunken in Richtung Ränge und vom Rasen loderten die Flammen meterhoch. Aber bitte: War die pompöse Show nicht die passende Ouvertüre für ein atemberaubendes Finale der Champions League zwischen Real Madrid und Juventus Turin (4:1)?

Kein anderer Klub scheint dafür besser prädestiniert, eine Epoche der Neuzeit zu schreiben wie das globalisierte Fußballunternehmen von Florentino Perez. Der Real-Präsident war natürlich mittendrin bei den Feierlichkeiten am Pfingstsonntag, als erst Zehntausende Fans vor dem Madrider Rathaus auf dem Platz Puerta del Sol und dann noch 80 000 im Bernabéu die Helden um Kapitän Sergio Ramos für den zwölften Gewinn des Henkelpotts hochleben ließen. Noch eine Lichtshow mitsamt Feuerwerk für die »Campeones« inklusive.

Historisches war ja vollbracht: Früher, im Europapokal der Landesmeister, hatte Real Madrid in den 50er Jahren fünf Mal hintereinander triumphiert. In den 60ern schafften Benfica Lissabon und Inter Mailand die Titelverteidigung, in den 70ern Ajax Amsterdam, Bayern München und der FC Liverpool, Ende der 80er noch mal der AC Mailand. Doch umso schneller die Spieler bald von einem Verein zum anderen zogen, umso mehr Geld in den Kreislauf floss, desto schwieriger wurde die Mission. Bis sie in dem vor einem Vierteljahrhundert erschaffenen Champions-League-Format als Ding der Unmöglichkeit galt.

Bis zum 3. Juni 2017. »Ein historischer Abend für die ganze Madrid-Familie - Spieler, Trainerstab, Betreuer und die Fans. Es ist das Ende einer spektakulären Saison«, sagte Trainer Zinedine Zidane sichtlich ergriffen auf der Pressekonferenz. Perez äußerte sich anschließend auf der Siegesfeier ähnlich: »Die Spieler sind Teil der Geschichte von Real Madrid und des Fußballs, genau wie unser Trainer.« Superstar Cristiano Ronaldo befand: »Wir sind etwas Einzigartiges und eine beeindruckende Gemeinschaft.«

Tatsächlich wäre es der größte Trugschluss, Ronaldo und seine Spielgefährten allein auf ihre zweifelsfrei herausragenden individuellen Qualitäten zu reduzieren. Die Königsklasse ist nur mit einem kollektiven Kraftakt zu gewinnen. Spiele bei Europa- oder Weltmeisterschaften reichen nicht mehr annähernd an die Qualität heran, die in der Champions League spätestens ab dem Viertelfinale durchgängig gefragt ist. Insofern geriet das Finale der königlichen Garde zur Demonstration der Stärke: Der spanische Meister überrollte den italienischen Titelträger, der in diesem Wettbewerb doch zuvor nur drei Gegentore kassiert hatte, zum Höhepunkt wie eine Dampfwalze. Die zweite Halbzeit sei die beste der Saison gewesen, erklärte Zidane. Die perfekte Mixtur aus Kampf, Kraft und Kunst.

Vielleicht hatten sich die Kicker in den diesmal lilafarbenen Trikots etwas von den muskulösen Männern abgeschaut, die in den verschlungenen Gängen der Heimstätte der walisischen Rugby-Nationalmannschaft dutzendweise an den Wänden hängen. Der deutsche Nationalspieler Toni Kroos erzählte, man habe mit »mehr Akku im Tank« aufdrehen können, weil »die Persönlichkeit« Zidane es mit seiner Aura hinbekommen habe, die Einsatzzeiten ungefähr gleich zu verteilen. »Wir haben in der Liga unfassbar viel rotiert und trotzdem die Ergebnisse geliefert«, führte Kroos aus. Ein Hoch auf die Diener Danilo, Morata, Nacho, Kovacic oder Asensio sollte das von der deutschen Majestät im Mittelfeld heißen.

Und es gehört von Trainerseite Empathie dazu, einem Gareth Bale einen Kurzeinsatz in dessen Heimatstadt zu gönnen, wo doch sein Konterfei tagelang von einem Hochhaus am Bahnhof die walisische Kapitale überstrahlte. Und wie viel Leidenschaft dieses Ensemble einbringt, war bestens zu besichtigen, als der seit mehr als einem Jahrzehnt für Real spielende Linksverteidiger Marcelo nach der Siegerehrung mit den Madridistas voller Inbrunst die Hymne »Hala Madrid... y nada mas« trällerte. Identifikation mit den Werten des Klubs gehört zu den Tugenden, die eben auch den Titelhunger befeuern.

Auf die Frage, warum Zidane als Berufsanfänger im Profigeschäft binnen 17 Monate geschafft hat, was erfahrenen Vorgängern wie José Mourinho, Carlo Ancelotti bis Rafa Benitez verwehrt blieb, entgegnete der 44-Jährige trocken: »Ich werde jetzt nicht sagen, dass ich gut bin. Ich liebe nur den Fußball.« Perez flötete, Zidane sei mit seinem Coup »schon der beste Trainer der Welt.« Doch von einer lebenslangen Anstellung wollte der Maestro nichts wissen: »Das geht nicht. Aber ich werde nächstes Jahr noch hier sein.« Und vielleicht im Olympiastadion von Kiew am 26. Mai 2018 wieder mit dieser Mannschaft auf der Finalbühne auftauchen. Ob es allerdings auch in der kriegsgeplagten Ukraine ein weiteres Feuerwerk für die Inszenierung braucht, sollte noch einmal überdacht werden.

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