Vorkaufsrecht auf dem Vormarsch

Auch der Bezirk Pankow versucht, Mieter besser vor Spekulation zu schützen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

6,2 Millionen Euro, diese Summe ist die »Deutsche Wohnen« bereit, für das Haus Danziger Straße 55 in Prenzlauer Berg zu zahlen. Doch die Mieter der drei Läden und 22 Wohnungen sind nicht bereit, sich kampflos dem renditehungrigen Konzern auszuliefern. »Seit über 15 Jahren betreibe ich hier meinen Bioladen und privat wohne ich auch in dem Haus«, sagt Dominikus Murr. »Das wäre damit alles in Gefahr.« In vielen Gesprächen haben die Mieter den zuständigen Bezirk Pankow dazu gebracht, sein Vorkaufsrecht auszuüben. Da das Gebäude in einem Milieuschutzgebiet liegt, ist das grundsätzlich möglich. Zumindest, wenn der Verkaufspreis erheblich über den zu erzielenden regulären Mieten liegt.

Das scheint zunächst nicht so: »Wir haben für die bestehende Mietfläche eine Ertragswertanalyse gemacht und sind auf 3,3 bis 3,6 Millionen Euro gekommen«, sagt Ulf Heitmann, Geschäftsführer der Wohnungsbaugenossenschaft Bremer Höhe. Doch in die amtliche Wertberechnung fließen auch die rapide steigenden Grundstückswerte ein. Insofern musste der Bezirk den hohen Kaufpreis bestätigen. Auch Nachberechnungen der Stadtentwicklungsverwaltung und eines weiteren Bezirks änderten daran nichts. Vollrad Kuhn (Grüne), Pankower Baustadtrat, sagt: »Man müsste vom Land Berlin eine Regelung finden, um den spekulativen Bodenpreis herauszurechnen.« Die Stadtentwicklungsverwaltung macht in diesem Punkt wenig Hoffnung. Die Bewertung folge den bundesgesetzlichen Regelungen des Baugesetzbuches und der Immobilienwertermittlungsverordnung. »Hiervon abzuweichen besteht daher kein Anlass.«

Am vergangenen Freitag gab es im Falle der Danziger Straße das erste Gespräch zwischen Stadtrat Kuhn und Vertretern der Deutschen Wohnen. »Wir möchten das Haus weiterhin erwerben«, sagt ein Sprecher des Unternehmens. Sollte es dabei bleiben, müsste die Deutsche Wohnen eine sogenannte Abwendungsvereinbarung unterzeichnen. Dabei werden vertraglich Ziele festgelegt, die über normale Milieuschutzregelungen hinausgehen. Zum Beispiel einen Ausschluss energetischer Sanierungen.

Um die Ausübung von weiteren Vorkaufsrechten zu unterstützen, wird die Stadtentwicklungsverwaltung einen Fonds zu Verfügung stellen. 12,5 Millionen Euro sind dafür im »nd« vorliegenden Haushaltsentwurf für 2018 vorgesehen, 2019 sollen 15 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Eine relativ kleine Summe angesichts der rapide steigenden Immobilienpreise.

Ende Juni werden Finanz- und Stadtentwicklungsverwaltung das Konzept für die Anwendung der Vorkaufsrechte dem Senat vorlegen, nach der Sommerpause könnte es auch das Abgeordnetenhaus passieren.

»Um die Fülle von Immobilienverkäufen sachgerecht zu prüfen, werden wir personelle Verstärkung brauchen«, sagt der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). Zwei zusätzliche Stellen hat er dafür beantragt. Denn der Bezirk kauft nicht selbst, er übt sein Recht zugunsten Dritter aus. Das können neben städtischen Wohnungsbaugesellschaften auch Genossenschaften, Stiftungen oder Vereine sein. Kurz vor Abschluss ist ein Ausschreibungsverfahren, mit dem ein Pool potenzieller Käufer gefunden werden soll. »Es haben sich bereits mehrere Interessenten gemeldet«, sagt Schmidt.

Wichtig sei, auch die Bewohner betroffener Häuser besser zu unterstützen. Ein Beauftragter soll als Schaltstelle fungieren, Hausgemeinschaften beraten und organisieren, findet der Baustadtrat. »Dann könnten sie mit Unterstützung vielleicht ihre Häuser selber kaufen«, hofft er.

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