Mélenchons Linke ohne Bündnis

Zustimmung geht landesweit eher zurück / FI-Politiker watscht Ex-Präsident Hollande ab und grenzt sich von der Kommunistischen Partei ab

  • Bernard Schmid, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

»François Hollande ist so ein Typ, der bestimmt als Junge den Fliegen ihre Flügel ausgerissen hat und dann in aller Gemütsruhe zuschaute, wie sie sich abzappeln.« Diese Aussage, die die grundlegende Bösartigkeit des früheren Staatspräsidenten - und wie viele meinen - Totengräbers der in den vergangenen fünf Jahren regierenden Sozialistischen Partei unter Beweis stellen soll, stammt von dem diesjährigen Präsidentschafts- und nunmehr Parlamentskandidaten Jean-Luc Mélenchon. Es ist bekannt, dass der Linkssozialdemokrat und Linksnationalist eine Neigung dazu hat, seine politische Aussagen mit einem mitunter cholerisch ausfallenden Temperament zu unterstreichen.

In dieser Woche attackierte der 65-Jährige nun die politische Bilanz seines ehemaligen Parteifreunds Hollande. 2008 spaltete sich Mélenchon mit seiner Linkspartei (Parti de Gauche) von der Sozialdemokratie ab. In seinen Worten ist Hollande »ein armer Typ, der noch nie im Leben etwas auf die Reihe bekommen hat«.

Nicht nur der Kommentar zur Regierungsbilanz François Hollandes, die auch sonst kaum jemand im Land als gelungen betrachtet, bescherte Mélenchon in den vergangenen zehn Tagen in Frankreich einige Aufmerksamkeit. Die erhielt er auch in seinem Wahlkreis im Zentrum von Marseille. Dort kandidiert er an den kommenden beiden Sonntagen zur französischen Nationalversammlung. Laut Umfragen kann er mit rund vierzig Prozent der Stimmen in der ersten Runde rechnen. Seine Chancen auf das Abgeordnetenmandat stehen gut.

Jedoch ist Mélenchon einer der wenigen BewerberInnen seiner Bewegung »La France insoumise« (LFI, »Das nicht unterworfene Frankreich«), die auf gute Wahlergebnisse bauen können. Landesweit sieht es, unter den Bedingungen des geltenden Mehrheitswahlrechts, da sehr viel kritischer aus. Zumal die Ergebnisse für die LFI-KandidatInnen in den vergangenen Wochen in den Umfragen eher zurückgingen, von 15 bis 16 Prozent kurz nach der Präsidentschaftswahl auf nun noch zwischen 11,5 und 13 Prozent. Dazu trägt bei, dass viele der lokalen BewerberInnen nicht derart bekannt sind wie Mélenchon, dessen AnhängerInnen bislang im Parlament über keinen einzigen Sitz verfügten. Dort existierte zwar in der Legislaturperiode 2012 bis 2017 eine Linksfraktion, doch diese bestand aus Abgeordneten der französischen KP im Bündnis mit den MandatsträgerInnen von lokalen Kräften aus den »Überseegebieten«.

Ein Problem für die LFI ist das fehlende Wahlbündnis mit der französischen Kommunistischen Partei (KP) - wie es vor den Präsidentschaftswahlen noch zustande kam. Beide Seiten blieben sich uneinig über die Verteilung der künftigen Parteienfinanzierung, die nach den Parlamentswahlergebnissen bemessen wird, aber auch über das genaue Profil eventueller gemeinsamer Kandidaturen: Mélenchon wünschte ein inhaltliches Abkommen auf nationaler Ebene, das etwa auch die Abgrenzung von der Rest-Sozialdemokratie beinhaltet hätte. Die KP wollte sich an der Stelle sehr viel mehr Manövrierspielraum bewahren und favorisierte eine Vereinbarung, die lediglich eine Aufteilung des Territoriums vorsehen sollte.

Die französische KP bekommt zwar in den Umfragen landesweit derzeit nur zwei bis drei Prozent, doch weist sie örtlich stark verankerte KandidatInnen auf, die als BürgermeisterInnen oder bisherige Abgeordnete bekannt sind. Die LFI hat dies nicht zu bieten. Nur in 18 Wahlkreisen treten LFI und französische KP miteinander an, sonst gegeneinander. Damit besteht das Risiko, dass der Linken vielerorts entscheidende Stimmen für den Einzug in die Stichwahlen verloren gehen. Mélenchon nimmt dieses Risiko in Kauf.

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