Finnische Mitte-Rechts-Koalition bleibt bestehen

Das Dreierbündnis unter Ministerpräsident Sipilä wird nach der Spaltung der Rechtpopulisten weiter regieren

  • Bengt Arvidsson, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.

In Finnland ist in letzter Minute das Auseinanderfallen der Regierung verhindert worden. Ministerpräsident Juha Sipilä hatte zunächst angekündigt, am Dienstag bei Staatspräsident Sauli Niinistö den Rücktritt seiner Regierung einzureichen, um eine neue Koalition bilden zu können. Das seit 2015 regierende Dreierbündnis aus Zentrumspartei, Konservativen und der rechtspopulistischen Partei »Die Finnen« stand auf der Kippe, nachdem letztere am Wochenende den Rechtsextremisten Jussi Halla-aho zum neuen Vorsitzenden gewählt hatten. Sipilä sagte, das »Menschenbild« des wegen rassistischer Äußerungen verurteilten Halla-aho sei unvereinbar mit seiner Regierung. Man habe bereits in der Vergangenheit für die Zusammenarbeit mit den »Finnen« die eigene Wertegrundlage »extrem strecken« müssen, so Sipilä.

Zu dem angekündigten Rücktrittsgesuch beim Präsidenten ist es jedoch nicht gekommen. Am Dienstag erklärten 20 von 37 Abgeordneten der Fraktion der »Finnen« ihren Parteiaustritt. Sie kündigten an, sich an einer neuen Koalitionsregierung beteiligen zu wollen.

Die ausgetretenen Abgeordneten, darunter alle bisherigen Minister und Ex-Parteichef Timo Soini, gaben zudem die Gründung einer eigenen Partei namens »Neue Initiative« bekannt. Mit der »Neuen Initiative« will Ministerpräsident Sipilä die Regierungszusammenarbeit fortsetzen. Das wolle er, so Sipilä, am Mittwoch auch dem dritten Koalitionspartner, den Konservativen, vorschlagen. Die nächsten regulären Wahlen in Finnland stehen 2019 an.

Der nun ausgetretene ehemalige Vorsitzende der »Finnen«, Timo Soini, hatte 20 Jahre lang für die Regierungstauglichkeit seiner Partei gekämpft und sie zu einem beachtlichen Machtfaktor im Lande gemacht. Bei den Wahlen 2015 wurden »Die Finnen« mit Forderungen zu Asylstopp und einer unnachgiebigen Linie gegenüber dem verschuldeten Griechenland mit 18 Prozent die zweitstärkste Kraft Finnlands.

Nach dem Eintritt in die Regierung folgte der Niedergang für die Partei. Soini musste als Außenminister einen Kompromiss nach dem anderen schlucken. So segnete er brav weitere EU-Kredite für Griechenland ab. Auch die Aufnahme von - für finnische Verhältnisse - ungewöhnlich vielen Asylbewerbern duldete er. Inzwischen liegen »Die Finnen« in Wahlumfragen bei unter neun Prozent. Über die Hälfte der Wähler haben sich abgewendet.

Die Parteibasis setzte wohl vor allem deshalb am Samstag den Führungswechsel zugunsten des bisherigen Europaparlamentariers Jussi Halla-aho durch.

Der 46-jährige gehört in der Rechtsaußenpartei zum rechten Flügel. Die Parteibasis wusste, dass die Wahl Halla-ahos höchstwahrscheinlich die Koalitionsregierung sprengen würde - und hat dies offenbar angesichts der sinkenden Umfragewerte billigend in Kauf genommen.

Mit Halla-aho steht nun ein Rechtsextremer à la Marine Le Pen an der Spitze der »Finnen«. 2012 wurde er wegen Hetze gegen Volksgruppen vom höchsten Gerichtshof verurteilt. In seinem Internetblog hatte Halla-aho etwa muslimische Somalier als »genetisch bedingte Kriminelle und Wohlfahrtsempfänger« und den Islam als »Pädophilenreligion« bezeichnet. Davon hat er sich auch am Wochenende bei seiner Ernennung ausdrücklich nicht distanziert, obwohl das nur ein »kleiner politischer Preis« für den Verbleib in der Regierung gewesen wäre, wie der Politologe Markku Jokisipilä in der bürgerlichen, schwedischsprachigen Tageszeitung Hufvudstadsbladet (HBL) sagte.

Viele Kommentatoren äußerten die Vermutung, dass Halla-aho einen Rauswurf aus der Regierung bewusst provoziert habe. Er versuche eine »Märtyrerrolle« einzunehmen um abtrünnige Wähler zurückzugewinnen, sagt Jokisipilä. Dabei folgt seine Rechtspartei einem nordischen Trend. Auch in Norwegen sind die Rechtspopulisten von der Fortschrittspartei seit vier Jahren als Juniorpartner in der Regierungsverantwortung und verlieren in Umfragen an Zustimmung. In Dänemark hat sich die rechte Dänische Volkspartei deshalb - statt für direkte Regierungsbeteiligung - nur zur Duldung der bürgerlichen Minderheitsregierung entschieden. Mit Agenturen

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