Aufruhr im indischen Tee-Reich Darjeeling

Streit um Abspaltung fordert erneut tote Demonstranten und verletzte Polizisten

  • Gilbert Kolonko
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit mehreren Demonstrationen der lokalen Morcha-Bewegung und Toten und Verletzten in und um das indische Darjeeling, wo auch mehrere Regierungsgebäude und Polizeiwagen in Brand gesetzt wurden, flammte ein schon befriedet wirkender Konflikt am Wochenende wieder auf. Bis dahin schien die Morcha-Bewegung, die um die Teehochburg Darjeeling einen eigenen Staat namens Gorkhaland fordert, schon am Ende.

Bengalens Ministerpräsidentin Mamata Banerjee hatte den Bergbewohnern größere Autonomie zugestanden und die Forderung nach einer Abspaltung vom Bundesstaat Bengalen schien vom Tisch. Doch da Banerjee die letzte ernsthafte Gegenspielerin von Indiens Ministerpräsidenten Narendra Modi ist, traf sich dieser vor ein paar Monaten mit den Führern der Morcha-Bewegung.

Der Konflikt begann in den 80 Jahren, als die ethnischen Gruppen der Nepali/Gorkhas einen eigenen Bundesstaat forderten, weil sie sich von den Bengalen wie Menschen zweiter Klasse behandelt fühlten. Sie sammelten sich unter der Gorkha National Liberation Front (GNLF) und boten der indischen Regierung die Stirn. Erst acht Jahre und nach Regierungsangaben 1200 Tote später kamen beide Seiten zur Besinnung und einigten sich in einem Abkommen auf eine gewisse Teilunabhängigkeit für die Bewohner Darjeelings und der Dooars - der umliegenden Täler.

Bis zum Jahr 2010 blieb es relativ ruhig, dann übernahm Bimal Gurung, der seinen Hauptwidersacher von Anhängern zu Tode hacken ließ, mit seiner Partei Gorkha Janmukti Morcha die Initiative. Aus lokalen Jugendlichen baute Bimal schnell eine schlagkräftige Truppe, die mit gewalttätigen Demonstrationen die bengalische Regierung unter Druck setzte und die lokale Bevölkerung einschüchterte.

Die beherzte Premierministerin Banerjee nahm der Bewegung zwar schnell den Wind aus den Segeln, doch dann kamen die Parlamentswahlen 2014. Modi versprach der Morcha ihr Gorkhaland wenn sie dafür seine Kandidaten unterstütze. Doch mit Härte und Entgegenkommen schwächte Banerjee erneut den Einfluss der Morcha erheblich.

Doch im aktuellen Fall der fünf erschossenen Demonstranten streitet sie ab, dass die Polizei damit zu tun habe. Banerjee verweist auf 35 zum Teil schwer verletzte Polizisten und wirft Demonstranten vor, mit terroristischen Gruppen zusammenzuarbeiten.

Da die Morcha-Bewegung jedoch auf regionalen Patriotismus und Populismus setzt, ist es auszuschließen, dass maoistische Rebellengruppen mit ihnen gemeinsame Sache machen - denn diese und nicht islamistische Jihadisten fügen dem indischen Staat seit Jahren die größten Schäden zu. Der frühere Premierminister Manmohan Singh erkannte schon 2006, dass der Grund für die Existenz der maoistischen Gruppen ein mangelhaftes Vorgehen gegen die Armut ist.

Der Grund für die Streiks und Demonstrationen in Darjeeling und den Dooars liegt eher darin, dass dieses Jahr lokale Wahlen stattfinden. Die Morcha-Führer sehen, dass ihnen die Wähler weglaufen. Als Begründung haben sie die Anordnung der bengalischen Regierung gewählt, künftig an den Schulen Bengalisch anstatt Nepalesisch als Hauptsprache zu unterrichten. Das hatte noch vor Wochen recht wenig Aufregung hervorgerufen. Es überwog die Erleichterung, das die Morcha-Bewegung gezähmt worden schien und nicht erneut eine überlebenswichtige Touristensaison und Tee-Ernte zerstören könne.

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