Neuer Kopftuchstreit vor Gericht

Eine von zwei Bewerberinnen für Lehrerstellen nimmt Entschädigungszahlung an

  • Jana Klein
  • Lesedauer: 3 Min.

Zwei Monatsgehälter, umgerechnet 6915 Euro - so viel beziehungsweise wenig Geld sollte Abeer K. aus der Landeskasse erhalten, vorausgesetzt, sie geht nicht weiter gegen das Land Berlin vor. Von dem wollte sie Anfang des Jahres gerne als Quereinsteigerin in den Schuldienst für die Fächer Informatik und Mathematik eingestellt werden, denn hier mangelt es an regulären Lehrkräften. Darüber, woran es gescheitert ist, besteht jedoch Uneinigkeit: Sie und ihre Mitklägerin sollen nach einem Casting im Januar beiseite genommen worden und befragt worden sein, ob sie das Kopftuch im gymnasialen Schuldienst auch weiterhin tragen würden. Als sie das verneinten, sollen sie, so erzählt es K., nie wieder Post über den Stand ihrer Bewerbung erhalten haben.

Für Rechtsanwältin Maryam Haschemi Yekani, die die zwei Klägerinnen vertritt, ist es nicht der erste »Kopftuchstreit«. Erst im Mai hatte das Land in einem ähnlichen Fall eine Niederlage akzeptieren müssen. Nicht generell gefährde ein Kopftuch das Neutralitätsgebot, unter dem die Lehrkräfte stehen. Im Einzelfall müsse eine konkrete Bedrohung nachgewiesen werden, fasst sie den Tenor des Urteils zusammen. Das sei hier nicht geschehen. Vielmehr versuche das Land, so ihr Vorwurf, das ergangene Urteil einfach zu ignorieren. Ihre Mandantin habe, nachdem sie während des Castings positive Rückmeldungen erhalten hatte, nun weder eine Zusage noch eine Absage erhalten - wohl aus taktischen Gründen.

Der Vertreter des Landes vor Gericht wollte von einem Gespräch über das Kopftuch am Rande des Castings nichts wissen und hatte auch ansonsten nichts weiter anzubieten als die Einigung über zwei Monatsgehälter. Abeer K. lehnte das ab. Ihre Mitklägerin war gar nicht im Saal erschienen, als sie vom Presseinteresse für ihren Fall erfuhr, so sagt es ihre Anwältin. Für sie akzeptierte akzeptierte sie die Einigung, kündigte jedoch sogleich den Vorbehalt an, dass man binnen der gesetzten Frist von drei Wochen noch widerrufen werde, je nachdem, wie sich die Klägerin entscheide.

Zwar ist der Schuldienst laut gesetzlicher Vorgaben, die im Februar ebenfalls vor dem Landesarbeitsgericht Berlin beschränkt worden sind, an Berufsschulen für Kopftuchträgerinnen grundsätzlich möglich. Doch da die beiden Frauen sich auf die Mangelfächer Informatik und Mathematik im regulären Schulbetrieb beworben haben, die im Bereich der Berufsschulen nicht als Mangelfächer ausgeschrieben sind, besteht auch gar nicht die Möglichkeit, eine alternative Anstellung anzubieten. Dazu müssten sie regulär das Lehramt studiert haben. K. hat sich in der Zwischenzeit nicht mehr anderswo beworben. Die seit Monaten ausgebliebene schriftliche Rückmeldung habe sie zunächst sprachlos gemacht. Ihre Rechtsanwältin forderte nach der Verhandlung vom Land Berlin: »Wir brauchen Klarheit in solchen Fällen.«

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