Die Steuerzahler erwartet eine erhebliche Rückzahlung

BMF-Entscheidung: Umgehende Neuberechnung der zumutbaren Belastung

  • Dr. Rolf Sukowski
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei den »außergewöhnlichen Belastungen«, zu denen zum Beispiel auch Krankheitskosten zählen, gibt es umgangssprachlich ausgedrückt einen »Eigenanteil«. Im Steuerrecht heißt dieser »zumutbare Belastung«. Viele Steuerzahler sind an dieser Grenze gescheitert: Ihre Ausgaben wirkten sich bei der Steuererstattung nicht aus.

Diese Grenze hat aber der Bundesfinanzhof (BFH) mit seinem Urteil (Az. VI R 75/14) heruntergesetzt. Denn nun muss die zumutbare Belastung stufenweise berechnet werden. Das Bundesfinanzministerium hat jetzt die Finanzämter angewiesen, die stufenweise Berechnung »möglichst umgehend« umzusetzen.

Ein Beispiel: Ein zusammen veranlagtes Ehepaar und Eltern von zwei Kindern erzielte Jahreseinkünfte von 51 130 Euro. In dem Jahr wurden Krankheitskosten in Höhe von 4148 Euro als außergewöhnliche Belastungen in die Steuererklärung eingetragen.

Nun wird stufenweise die zumutbare Belastung berechnet: 2 Prozent bis 15 340 Euro (306,80 Euro/Stufe 1), 3 Prozent von 15 340 bis 51 130 Euro (1073,70 Euro/Stufe 2) und 4 Prozent für den Betrag, der die Grenze von 51 130 Euro übersteigt (28,20 Euro/Stufe 3).

Die zumutbare Belastung liegt nach der stufenweisen Berechnung bei 1408,70 Euro. Der über diese Belastungsgrenze hinausgehende Betrag wird nicht besteuert, also 2737 Euro. Das sind 664 Euro mehr als nach der alten und damit jahrelang falschen Berechnung. Ab 15 Monate nach Ende des betreffenden Steuerjahres muss diese zusätzliche Erstattung verzinst werden (für 2015 läuft seit April dieses Jahres die Verzinsung mit 0,5 Prozent pro Monat).

Die Einkommensstufen und die Prozentsätze, die sich aus dem Familienstand und der Zahl der Kinder ergeben, sind im Einkommensteuergesetz in der Tabelle in § 33 festgelegt (siehe unter https://www.gesetze-im-internet.de/estg/__33.html).

Betroffen von der neuen stufenweisen Berechnung sind die Steuerjahre ab 2012. Seitdem findet sich im Kleingedruckten der Steuerbescheide ein »Vorläufigkeitsvermerk«. Daraus folgt, dass Betroffene jetzt mit einer gesamten Erstattung rechnen können, wenn sie in all den Jahren auch entsprechende außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht haben.

Wann mit der Erstattung zu rechnen ist, hängt von den zuständigen Finanzämtern ab. Das Bundesfinanzministerium jedenfalls macht Druck. Es empfiehlt Steuerzahlern sogar: »Sollte die geänderte Berechnungsweise im Einzelfall noch nicht berücksichtigt worden sein, empfiehlt sich gegebenenfalls das Einlegen eines Einspruchs.«

Dass der Fiskus hier im Zweifel sogar empfiehlt, einen Einspruch gegen den von ihm selbst angefertigten Steuerbescheid einzulegen, ist äußerst ungewöhnlich und liest man sicherlich nur in einem Wahljahr.

Vom Finanzamt Berlin-Lichtenberg beispielsweise kam noch Ende Mai die Antwort hinsichtlich des vorgenannten Urteils des Bundesfinanzhofs: »Da bisher noch keine Anweisungslage bezüglich der datentechnischen Umsetzung des benannten BFH-Urteils besteht, (wird) das Verfahren ruhen« gelassen. Kaum eine Woche später ist die Anweisung nunmehr da.

Der Autor ist Leiter der Beratungsstelle Berlin der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e. V., Lohnsteuerhilfeverein, Sitz Gladbeck.

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