Ein Flugfeld wird zum Millionengrab

Mini-Airport Kassel bleibt gegen jede Logik in Betrieb

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

»Gilt noch, was im Koalitionsvertrag steht?« Diese Frage des LINKE-Landtagsabgeordneten Jan Schalauske an die Adresse der schwarz-grünen Landesregierung in Hessen zielt auf den Regionalflughafen Kassel-Calden. Der wurde 2013 feierlich eingeweiht und kommt nicht aus den roten Zahlen.

Weil CDU und Grüne bei der Regierungsbildung Anfang 2014 unterschiedliche Ansichten über Sinn und Notwendigkeit des Projekts hatten, schoben sie das Problem auf die lange Bank. Und so heißt es im Koalitionsvertrag: Man wolle die nordhessische Wirtschaft für eine »Beteiligung an den wirtschaftlichen Chancen und Risiken des Flughafens« erwärmen und darüber hinaus eine »komplette Privatisierung« anstreben, so die Absicht. Aber: »Im Jahr 2017 werde die Entwicklung des Flughafens seit seiner Inbetriebnahme umfassend evaluiert.« Und: Ohne eine Reduzierung des Defizits und positive Entwicklungsperspektive werde »ausdrücklich keine mögliche Maßnahme ausgeschlossen«. Dieser Satz war seinerzeit offensichtlich ein Zugeständnis an die murrende Grünen-Basis, die das ganze Projekt von Anfang an für überflüssig hielt.

Doch vom Eingeständnis eines Fehlers will der federführende hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) nichts wissen. Und weil sich kein privater Geldgeber für die Deckung der Defizite des überflüssigen Airports erwärmen kann, mussten das Land Hessen, die Stadt Kassel und der Landkreis Kassel als Gesellschafter der Betreibergesellschaft 2016 insgesamt einen hohen einstelligen Millionenbetrag zur Deckung der Defizite aufbringen. Eine Wende ist nicht abzusehen.

Die Anzahl der Passagiere auf dem in Kassel Airport umbenannten Regionalflughafen auf dem Gelände eines ehemaligen Verkehrslandeplatzes sank vielmehr von 65 000 im Jahr 2015 auf rund 55 000 im Jahr 2016. Die Hoffnung, ein Airport in der Provinz würde an sich schon als Leuchtturm ausstrahlen, Airlines aus aller Welt anziehen und aus dem traditionell strukturschwachen Nordhessen ein Silicon Valley machen, ging offensichtlich nicht auf.

Linke Kritiker wie Schalauske, die seit Jahren den ökonomischen und ökologischen Widersinn eines Kasseler Flughafens kritisieren und auf eine Rückstufung zum Verkehrslandeplatz drängen, überrascht dies nicht. Schließlich sind in einem Radius von 200 Kilometern um die Nordhessenmetropole bereits seit Jahrzehnten etliche Verkehrsflughäfen in Betrieb: in Dortmund, Erfurt, Frankfurt am Main, Paderborn/Lippstadt, Hannover und Münster/Osnabrück. Kassel ist mit einem ICE-Bahnhof bestens an das Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn angeschlossen, die auch als Zubringer für leistungsstarke Flughäfen fungiert. Einen weiteren Rückschlag erlitt der Kassel Airport, als der Versandhändler Amazon unlängst seine fünf wöchentlichen Frachtflüge um die Mittagszeit strich.

In seiner Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion zeigte sich Hessens Finanzminister Thomas Schäfer tapfer entschlossen, die defizitäre Anlage von Kassel-Calden auch weiterhin zu bezuschussen. Aus Gründen der Daseinsvorsorge lasse die EU-Kommission dies im Falle von Kleinstflughäfen mit weniger als 700 000 Passagieren im Jahr ausdrücklich zu, so der CDU-Mann. Schaluske kommentiert das so: »Es ist keine verantwortungsvolle Politik, jedes Jahr über neun Millionen Euro in einen einstürzenden Leuchtturm zu stecken. Dieses Geld könnten die am Flughafen beteiligten Kommunen sinnvoll für andere Aufgaben verwenden.«

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