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Kooperation bei der Bankenregulierung steht auf der Kippe

Die Finanzmarktreformen sind auf internationaler Ebene längst ins Stocken geraten - in den USA droht nun sogar ein Roll-back

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Das eigentliche Kerngeschäft der G20, die Reform der internationalen Finanzarchitektur, ist längst in den Hintergrund der Gipfelkonferenzen abgeschoben worden. Das beklagt Rainer Falk, Chefredakteur des »Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung«, und sieht mehrere Gründe: So stecke der Multilateralismus, also der Versuch, globale Probleme über globale politische Institutionen zu lösen, in der Krise. Auch scheinen Nationalismus und Protektionismus über eine Regierungsführung zu triumphieren, die internationale Interessen angemessen berücksichtigt.

Für das Stocken der Bankenregulierung gibt es einen weiteren Grund: Seit dem Ausbruch der Krise vor zehn Jahren sind viele neue Regeln für Banken aufgestellt worden. Manche meinen, zu viele. Eine aktuelle Übersicht des Bundesverbands Öffentlicher Banken über »kreditwirtschaftlich wichtige Vorhaben der EU« umfasst 472 Seiten.

Zunächst hatten die führenden Industrie- und Schwellenländer mit einer abgestimmten Politik reagiert, um einen globalen Crash zu vermeiden und die entfesselten Finanzmärkte wieder einzuhegen. Aus den G20-Gipfeln von London und Pittsburgh 2009 folgte ein Reigen an nationalen Regelungen sowie »Basel III«. In der Folge verfügen die globalen Banken heute über ein rund 1500 Milliarden Euro dickeres Risikopolster als 2007/08. Die Eigenkapitalquote der Großbanken wurde von durchschnittlich sieben auf rund zwölf Prozent des riskanten Geschäftsvolumens erhöht. Außerdem zwingt ein globaler Finanzstabilitätsrat »systemrelevante Banken« dazu, zusätzliche Kapitalpuffer zurückzustellen. Für die Deutsche Bank sind es zwei Prozent extra.

Der frühere Bundesbank-Präsident und heutige UBS-Chef Axel Weber, eine der Schlüsselfiguren bei den Bankenrettungen, befürchtet nun eine Rundreise - die nächsten zehn Jahre werde man sich mit den Folgen der Anti-Krisen-Reaktion herumschlagen müssen. Vor allem die »Umverteilung« infolge der extremen Niedrigzinsen der Zentralbanken kritisiert Weber. Durch sie seien schwache Banken und Staaten durchgekommen, ohne grundlegende Strukturreformen vorzunehmen.

Elke König, oberste EU-Bankenabwicklerin, schätzt die Lage optimistischer ein. Die Banken hätten mehr und besseres Kapital, nähmen ihre Liquidität ernster als vor zehn Jahren. Der Chef der Landesbank Hessen-Thüringen, Herbert Hans Grüntker, teilt den Optimismus auch bezüglich der öffentlichen Institute. Die vier großen Landesbanken seien fit für die Zukunft, trotz Altlasten wie Schiffskrediten. Der Sektor sei »konsolidiert«, etwa indem Sorgenkinder wie die Landesbank Sachsen und die WestLB teils eingegliedert und teils abgewickelt wurden.

Jan Pieter Krahnen, Direktor des Zentrums für Finanzstudien, hält dagegen: Die Regulierung der Bankwirtschaft sei »nicht weitreichend genug«. So habe in Italien gerade erst der Staat marode Institute mit Milliardenspritzen gerettet. Eigentlich sollten nach EU-Recht nur noch die privaten Gläubiger haften.

Dennoch erscheint das Finanzsystem robuster aufgestellt als vor der großen Krise. Doch die Mitte der 1980er Jahre begonnene Deregulierung der Finanzmärkte wirkt weiter fort. Und einige neue Regeln belasten die Realwirtschaft. So müssen Banken für Staatsanleihen kein teures Kapital vorhalten - für Unternehmensfinanzierungen hingegen schon. Auch ist das Problem der unregulierten Schattenbanken ungelöst.

Auf ihrem Hamburg-Gipfel bekannte sich die G20 zur Regulierung der Finanzmärkte und zu »Basel III« - auch die USA, von denen ein Ausscheren befürchtet worden war. Wegen der Unberechenbarkeit von Donald Trump erscheint dies aber weiter möglich. Ein Gesetzentwurf der Republikaner, der den Banken wieder lange Leine lassen soll, nahm im Juni die erste Parlamentshürde.

Dabei ist die wichtigste aufsichtsrechtliche Reform noch nicht einmal abgeschlossen. Obwohl »Basel III« schon im Herbst 2010 vereinbart worden war, läuft die Übergangszeit bis 2019. Die USA und Großbritannien übertrugen die neuen internationalen Standards zügig in nationales Recht, heißt es in einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik. Dagegen setze die EU die Vorgaben »nur schleppend um«. Es sollen die angeschlagenen Banken der Eurozone nicht zusätzlich belastet werden.

Weiter prallen zwei unterschiedliche Banksysteme wirtschaftspolitisch aufeinander. In den USA und Großbritannien finden Finanzierungen vor allem über den Kapitalmarkt statt, in Europa dominiert der Bankkredit, gegen dessen Risiken »Basel III« wirken soll. Gestritten wird daher auch um den Spielraum für Großbanken bei der internen Risikoberechnung. Gerade kleine Banken und Sparkassen bekommen durch die strengen Vorgaben und detaillierten Regularien Probleme. Zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise steht die internationale Kooperation bei der Bankenregulierung wieder auf der Kippe.

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