nd-aktuell.de / 17.07.2017 / Sport / Seite 19

Wut und Enttäuschung beim insolventen HC Leipzig

Harsche Kritik am Missmanagement von Kay-Sven Hähner: Der sechsmalige deutsche Handball-Frauenmeister muss in die 3. Liga absteigen

Sandra Degenhardt, Leipzig

Sein erster Weg an diesem Montag führt den Trainer Norman Rentsch zum Arbeitsamt. Denn nach der Insolvenz des einstigen Erfolgsclubs HC Leipzig und dem Zwangsabstieg in die 3. Liga ist der Handballtrainer vorerst auf Unterstützung angewiesen. «Das ist ein sehr unangenehmer Weg für mich. Wir haben alle daran geglaubt und hatten Vertrauen in die Vereinsführung, dass es klappt. Nun aber ist der 37-Jährige verbittert.

Der zweifache Familienvater wartet wie viele Spielerinnen und Angestellte seit Januar auf sein Gehalt. Der Frauen-Handballbundesligist häufte über Jahre Schulden in Höhe von 1,3 Millionen Euro an.

Rentsch fühlt sich wie viele andere von der Vereinsführung um Manager Kay-Sven Hähner getäuscht. »Ich frage mich, wie die Verantwortlichen des Vereins und des Managements gearbeitet haben«, kritisierte er. Zumal nach Informationen des HBF-Vorsitzenden Berndt Dugall schon vor der Entscheidung des Schiedsgerichts vor gut einer Woche, der zufolge die Lizenz mit der Zahlung von 600 000 Euro verknüpft worden war, ein entscheidender Investor abgesprungen sein soll. Damit war klar, dass der Erhalt der Lizenz unmöglich wird.

Dennoch waren viele nach Hähners euphorischen Äußerungen Ende vergangener Woche von der Rettung des sechsmaligen deutschen Handballmeisters und siebenmaligen DHB-Pokalsiegers überzeugt gewesen. »Wir erfüllen die Bedingungen«, hatte er nach dem Sieg vor dem Schiedsgericht und dem Erhalt der an Bedingungen geknüpften Lizenz getönt. Doch Hähner scheiterte. »Ich hatte keine andere Wahl«, verkündete er am Samstag lediglich per SMS. Das benötigte Geld sei nicht da.

Noch am Samstag meldete Hähner die Insolvenz des HCL an, der nun in der 3. Liga mit einem Juniorteam den schweren Neuanfang starten muss. Auch gut möglich, dass das Insolvenzverfahren mangels Masse gar nicht eröffnet wird. Für den HC Leipzig rückt der HC Rödertal bei Dresden in die Bundesliga nach.

Wie es in Leipzig weitergeht, ist völlig offen. In den vergangenen Wochen hatten sich alle Leistungsträgerinnen von dem Verein abgewendet. Zudem kann der HCL durch die Insolvenzanmeldung erst wieder für die Spielzeit 2019/2020 einen Lizenzantrag für die 2. Liga stellen.

Das HCL-Überlebenskonzept hatte 600 000 Euro durch neue Sponsoren, 100 000 Euro durch Gläubigerverzichte sowie 200 000 Euro durch die Stadt Leipzig und 100 000 Euro vom eigens eingerichteten Spendenkonto vorgesehen. Doch dieser Last-Minute-Rettungsplan ging letztendlich nicht auf.

Im Fokus der Kritik steht Hähner. »Das ist fahrlässig, ja fast kriminell, wie er gehandelt hat«, meinte Herbert Müller, Trainer des Thüringer HC. Als Müller 2009 mit dem früheren Meister Nürnberg Insolvenz anmelden musste, sei Hähner »der größte Querschießer« gewesen. »Er hat uns schikaniert ohne Ende. Was jetzt in Leipzig passierte, ist unfassbar.«

Die Leidtragenden sind Spielerinnen, Trainer und Betreuer. Rentsch, der Angebote auch aus dem Ausland ablehnte, will bleiben: »Wir wollen mit einem jungen Team weitermachen und durch die schweren Zeiten gehen.« Dank der tollen Strukturen der erfolgreichen Nachwuchsarbeit will Rentsch mithelfen, den Fortbestand des Vereins zu sichern. Für Hähner dürfte beim HCL in Zukunft kein Platz mehr sein. dpa/nd