Nicht wieder auf die Anklagebank

Spanischer Ex-Skandalbankchef Miguel Blesa hat sich offenbar selbst gerichtet

  • Ralf Streck, San Sebastian
  • Lesedauer: 3 Min.

»Unglaublich. Und das obwohl wir die Kunden betrogen haben.« In einer E-Mail an ein anderes Vorstandsmitglied der Caja Madrid räumte Miguel Blesa ein, dass die Sparkasse unter seiner Führung von 1996 bis 2009 regelrecht ausgeplündert wurde. Das hatte Konsequenzen: Blesa war der erste spanische Bankchef, der im Rahmen der Aufarbeitung Knasterfahrung sammeln konnte. Bereits 2013 zahlte er zweieinhalb Millionen Euro, um aus der Untersuchungshaft freizukommen. Im Februar 2017 wurde er zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt. Er legte Berufung ein und befand sich noch auf freiem Fuß.

Doch nun ist klar, dass er sich nicht erneut auf die Anklagebank setzen wird. Am Mittwoch wurde er in der Nähe der südspanischen Stadt Cordoba tot aufgefunden. Todesursache ist dem Vernehmen nach ein Schuss in die Brust aus einem Jagdgewehr. Die Ermittler gehen von Selbstmord aus. Bisher habe der ambitionierte Jäger nie seine Waffen selbst transportiert. Zudem soll er einem Angestellten des Jagdsitzes, zu dem er allein aus Madrid angereist war, bei der Verabschiedung die Telefonnummer seiner Frau gegeben haben, »falls du sie anrufen musst«. Die am Donnerstag vorgenommene Obduktion der Leiche soll die Vermutung bestätigt haben.

Blesa ist der Prototyp eines »Amigos« in der spanischen Vetternwirtschaft der konservativen Volkspartei (PP). Als Jóse María Aznar 1996 Ministerpräsident wurde, hob er seinen Studienfreund Blesa auf den Chefsessel des viertgrößten spanischen Geldinstituts, obwohl der vom Bankwesen keine Ahnung hatte. Die Sparkasse verspekulierte sich zur Zeit der Immobilienblase massiv und wurde später mit anderen zur Bankia fusioniert, die danach mit fast 23 Milliarden Euro aus dem europäischen Rettungsschirm gerettet wurde.

Verurteilt wurde Blesa aber dafür, dass er und Mitglieder des Aufsichtsrats sich mit Kreditkarten am Fiskus vorbei bedienen konnten. Er sackte zusätzlich 400 000 Euro ein. E-Mails, die der Recherchegruppe Xnet zugespielt wurden, zeigen, dass er sich darüber auch von Vertretern der großen Gewerkschaften und Kommunisten seine Wiederwahl erkaufte. Ein krasser Fall ist Moral Santín, der seine Karte mit fast einer halben Million Euro belastete. Er wurde zu vier Jahren Haft verurteilt und gab die Mitgliedschaft bei der Vereinten Linken (IU) auf.

Viele Strafverfahren im Zusammenhang mit der Caja Madrid stehen noch aus. Als die Sparkasse auf Absturzkurs geriet, wurden vielen Kunden Hybridanleihen aufgedrängt, um Bilanzlöcher zu stopfen. 300 000 Kleinsparer wurden, wie Blesa in seiner Mail schrieb, »betrogen«. Bei den Papieren, die als sichere Festgeldanlagen verkauft wurden, handelte es sich um »nachrangige« Anleihen, die keiner Einlagensicherung unterliegen, bei einer Pleite zum Totalausfall führen und wegen des Risikos nur an »Profis« verkauft werden dürfen.

Die Betrügereien hörten auch nach dem Abgang Blesas nicht auf. Mit Rodrigo Rato wurde ein weiterer Vertrauter von Aznar auf den Chefsessel von Bankia gehievt. Der frühere Direktor des Internationalen Währungsfonds muss sich heute wegen Bilanzfälschung, Betrugs und Geldwäsche verantworten. Auch Rato wurde wegen der Kreditkarten schon verurteilt.

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