nd-aktuell.de / 21.07.2017 / Kultur / Seite 14

Vom Sagenwald zum Zaubergarten

Die Lange Nacht des Botanischen Gartens verspricht magische Momente

Robert Meyer

Allerlei Gewächs, große und kleine exotisch wirkende Pflanzen, einige sogar mit Sekreten, die schleimig anmuten, ein verwachsener Tümpel oder Weiher, der das Gefühl auslöst, inmitten eines warmen, feuchten Biotops zu sein, sich in einer kleinen Dschungelwelt aufzuhalten, einer Biosphäre, die abgegrenzt von allem anderen gut vor sich hin existiert - und all das ist zeitweilig in farbiges Licht getaucht. Zusammengenommen ein wirklich magischer Moment, der auch unmittelbare Gedanken an den Rausch wecken kann, an einen Rausch, den allein die Natur ermöglicht, so wie man sie hier erblickt.

Magische Momente in der und durch die Natur, ein solches Erlebnis verspricht auch die neunte Lange Nacht des Botanischen Gartens ihren Besuchern, die stets zahlreich erscheinen, weshalb diese Nacht diesmal sogar zwei Mal stattfindet. Das Programm kann sich durchaus sehen lassen. Künstlerische Performance, musikalische Highlights, Licht- und Pyroshows, ein umfangreiches Angebot für Kinder, Führungen durch den Garten und als besonderes Schmankerl acht »magische Naturwelten«.

Diese acht »Welten«, zusammengefasst auf der »Karte des Wanderers«, umspannen den Garten. Man kann sie systematisch, also nach einem vorgegebenen Schema, aber auch einfach nach Lust und Laune erkunden. Schon die Titel dieser »Welten« ziehen an: Da gibt es den »Sagenwald« und einen »Majestätischen Rotbuchenwald« voller Figuren aus Märchen, die allesamt in Wäldern spielen. Auch der »Garten der Sinne« hat seinen Reiz: Hier bestimmen Gerüche das Geschehen, Besuchern soll unter anderem vermittelt werden, was olfaktorischen Täuschungen zugrunde liegt. Direkt an diesen Garten grenzt der »Drachenberg«, dessen Thema magisch-mystische Klangwelten sind. Im »Harry Potter« entlehnten »Verbotenen Wald« wiederum trifft man auf Kobolde, und im danebenliegenden »Zaubergarten« mit seinen übergroßen Pilzen geht es um Tinkturen, um Arzneipflanzen aus giftigen Gewächsen - wenn man so will, ein kleines Pharmazielabor, eine Drogenküche.

Besondere Faszination verheißt die »Gläserne Stadt« mit der Zitadelle der Farben. Diese »Stadt« sei »der Quell des Lichts der magischen Naturwelten« und der Ort, an dem auch getanzt werden kann. Die Veranstalter erklären diese »Welt« zu einem der Höhepunkte. Klänge und Tanzen sind auch Thema im »Schamanenreich«. Die achte »Welt« indessen ist »die Mutter aller Tafeln«: In Weinseligkeit huldigt man hier dem alten Göttergetränk, das uns die Trauben bescheren. Die wahre Natur des Gartens, so heißt es, erschließe sich aber nur demjenigen, der alle »Welten« erkundet.

Botanische Gärten zählen zu den großen Errungenschaften von Menschen. Heimische wie exotische Naturen an einem Ort: Das ermöglicht es, schnell »von den Alpen zum Kaukasus« zu kommen. Und es sind Orte der Studien: In Treibhäusern mit Pflanzen aus den Dschungeln lassen sich die Übergänge von der Biologie zur Chemie erkunden. Welche Stoffe produzieren solche Gewächse aus dem Dschungel in welchen Zeiten unter welchen Bedingungen? Und was kann man damit alles machen? Dschungel scheinen ein wunderbares pharmazeutisches Labor zu sein.

Auch die verschiedenen Landschaften der Welt mit ihren unterschiedlichen Strukturen lassen sich in botanischen Gärten erkunden. »Natur und Magie« ist ein Kernthema dieser Langen Nacht, denn Magie steckt in der Natur tatsächlich: Ein Universum, das von den Atomen bis »hinauf« zu den Galaxien, von den vier physikalischen Grundkräften bis hin zum Verhalten von Lebewesen funktioniert, existiert innerhalb einer gewaltigen Komplexität. Das hat zweifellos etwas Magisches. Weniger bezaubernd ist der Eintrittspreis: 35,20 Euro für eine Einzelkarte. Kinder bis zum Alter von 14 Jahren, immerhin, zahlen nichts.

Lange Nacht des Botanischen Gartens am 21. und 22. Juli, Einlass 17 Uhr, Königin-Luise-Straße 6 - 8, Dahlem