Türkei zieht Terrorliste deutscher Firmen zurück

De Maizière: Innenminister Soylu sprach von »Kommunikationsproblem« / Auswärtiges Amt will erneut Zugang zu Steudtner

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die Türkei hat die umstrittene Liste mit knapp 700 terrorverdächtigen deutschen Unternehmen wieder zurückgezogen. Das teilte ein Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag in Berlin mit. Der türkische Innenminister habe am Morgen in einem Telefonat mit de Maizière von einem »Kommunikationsproblem« gesprochen.

Er habe versichert, dass weder türkische Behörden in der Türkei noch in Deutschland gegen Unternehmen ermittelten, die auf einer Liste aufgeführt worden seien. Die Interpol-Stelle in Ankara habe am vergangenen Samstag die ursprüngliche Bitte an das BKA »förmlich zurückgezogen«, zu diesen Unternehmen verschiedene Informationen zuzuliefern. »Das nehmen wir als Klarstellung zur Kenntnis«, sagte de Maizières Sprecher. Insbesondere sei zu begrüßen, dass das Unterstützungsersuchen zurückgezogen worden sei. Weitere Vorwürfe seien ihm nicht bekannt, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums.

Die Liste terrorverdächtigter Unternehmen hatte für erhebliche Unruhe auch in der deutschen Wirtschaft gesorgt. Nach Darstellung der Bundesregierung hatte die Türkei im Mai über den Interpol-Weg an Deutschland eine Liste mit knapp 700 Unternehmen übermittelt, die nach der ursprünglichen Mitteilung aus Ankara aufgrund ihrer Geschäftsbeziehungen zu türkischen Firmen aufgefallen seien und gegen die türkische Behörden wegen Terrorfinanzierung ermittelten.

Die Bundesregierung hatte die Vorwürfe als absurd zurückgewiesen. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte von Investitionen in der Türkei abgeraten, da »völlig unbescholtene Unternehmen« in die Nähe von Terroristen gerückt würden. Daraufhin wurden auch Export- und Investitionsabsicherungen auf den Prüfstand gestellt.

Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministerium sagte, trotz dieser Klarstellung herrsche für deutsche Unternehmen immer noch große Unsicherheit, was Investitionen und das Geschäftsgebaren der Türkei betreffe: »Das wird wohl auch noch eine Weile andauern.« Es müsse auch weiter das klare Signal an die Türkei gesendet werden, dass Deutschland Rechtsstaatlichkeit erwarte. Die staatlichen Hermes-Bürgschaften zur Absicherung von Türkei-Geschäften und Ausfuhren in das Land würden nach wie vor geprüft. »Bei uns ist noch alles auf dem Prüfstand«, sagte die Sprecherin.

Auswärtiges Amt bemüht sich weiter um Zugang zu Peter Steudtner

Das Auswärtige Amt bemüht sich unterdessen um weiteren Kontakt zu dem in der Türkei inhaftierten Menschenrechtler Peter Steudtner. »Wir haben Hinweise darauf, dass in naher Zukunft ein erneuter konsularischer Besuch möglich werden soll«, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Montag in Berlin. Es gebe Andeutungen in diese Richtung.

Der in Berlin lebende Peter Steudtner war am 5. Juli in der Türkei festgenommen worden. Vor rund einer Woche wurde für ihn und fünf weitere Menschenrechtsaktivisten Untersuchungshaft angeordnet. Die türkischen Behörden werfen ihnen die Unterstützung terroristischer Organisationen vor. Der Fall verschlechterte die deutsch-türkischen Beziehungen weiter. Die Bundesregierung hatte daraufhin die Sicherheitshinweise für Reisen in das Land verschärft. Zudem überprüft sie derzeit ihre wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei.

Auch der »Welt«-Korrespondent Deniz Yücel sowie die Journalistin Mesale Tolu sind weiterhin in Haft. Laut Auswärtigem Amt konnte Yücel am 28. Juni von Botschaftsmitarbeitern besucht werden, Tolu am 3. Juli. Seit dem Putsch in der Türkei vor gut einem Jahr sind 22 Deutsche verhaftet worden. Neun sind noch in Haft. Vier haben die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft. Agenturen/nd

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