nd-aktuell.de / 26.07.2017 / Politik

Dauerregen lässt Flutgefahr steigen

Thüringen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Brandenburg besonders betroffen / Wetterdienst: Das Wetter bleibt im Osten so

Berlin. Nach heftigem und lange andauerndem Regen spitzt sich die Lage in einigen Landesteilen zu. Im niedersächsischen Hildesheim drohten in der Nacht zum Mittwoch Überflutungen. Der Wasserstand des Flusses Innerste sei stark gestiegen, sagte ein Sprecher der Stadt. Sollte der bisherige Höchststand von sieben Metern überschritten werden, müsse ein Wohngebiet evakuiert werden. Davon wären laut Stadt 1.100 Menschen betroffen. Sie wurden am Abend vorsorglich gewarnt.

In Thüringen gaben die Rettungskräfte am Mittwochmorgen vorübergehend Entwarnung. »Seit Mitternacht war hier im Grunde Ruhe. Die Lage ist stabil«, sagte eine Sprecherin des Lagezentrums am Morgen. Am Dienstag sorgte der Dauerregen jedoch bis kurz vor Mitternacht für zahlreiche Probleme. Im Laufe des Tages mussten insgesamt 13 überflutete oder wegen umgestürzter Bäume blockierte Straßen gesperrt werden. Es kam zu mehreren Autounfällen wegen Aquaplaning. Gullydeckel wurden aus ihrer Verankerung gedrückt. Die Feuerwehr beseitigte die größten Schäden. Entwarnung gibt es jedoch noch nicht.

In Göllingen im Kyffhäuserkreis verstärkte die Feuerwehr nach heftigen Regenfällen einen Damm an der Wipper. Am Nordrand des Harzes in Sachsen-Anhalt stellte sich die Feuerwehr ebenfalls darauf ein, dass sich die Lage in der Nacht zuspitzen könnte. »Die Pegelstände steigen wieder«, sagte ein Sprecher der Rettungsleitstelle im Kreis Harz. Betroffen seien die Flüsse Ilse und Holztemme. In dem Landkreis waren am Dienstag vielerorts Straßen und Keller überflutet worden.

In Mahndorf bei Halberstadt sei aus Sicherheitsgründen die Stromversorgung unterbrochen worden. Etwa 500 Menschen mussten den Angaben nach den Abend im Dunkeln verbringen. Im südthüringischen Suhl drohte das Sammelbecken einer Mülldeponie überzulaufen. Es sei bereits zu 70 Prozent gefüllt, sagte ein Feuerwehrsprecher. Sollte das Wasser über das Becken schwappen, könne es zu Umweltschäden kommen.

Im niedersächsischen Springe trat ein Bach im Ortsteil Eldagsen über die Ufer. »Da laufen reihenweise die Keller voll«, sagte Feuerwehrsprecher Stefan Quentin. Feuerwehrleute mussten immer wieder Keller auspumpen, weil das Wasser zum Teil gleich wieder nachdrückte. »Mit Sandsäcken werden an dem Bach jetzt Dämme errichtet.«

Nach Auskunft des Deutschen Wetterdienstes wird es auch an diesem Mittwoch vielerorts in Deutschland weiter regnen. In weiten Teilen Ostdeutschlands soll das schlechte Wetter laut bisheriger Vorhersage bis in die Nacht zum Donnerstag weitergehen. Vor allem rund um den Harz werden kleine Flüsschen breiter.

In Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen halten überflutete Straßen, vollgelaufene Keller und über die Ufer getretene Bäche die Rettungskräfte in Atem. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk mussten am Dienstag Straßen sperren, Gebäude leerpumpen und Sandsäcke einsetzen. Besonders stark betroffen waren neben dem Harz etwa die Region Hannover und die Landstriche unmittelbar südlich davon. Der bei Urlaubern beliebte Brocken war nicht mehr per Bahn erreichbar.

Grund für den Dauerregen ist das Tief »Alfred«, das sich langsam von Südpolen nach Norden verlagert. Im niedersächsischen Alfeld fielen bis Dienstagnachmittag 115 Liter Regen pro Quadratmeter, im langjährigen Mittel gehen dort im Juli 68,5 Liter herunter. Den zweithöchsten Spitzenwert erreichte Artern in Thüringen mit mehr als 110 Liter Regen pro Quadratmeter, sagte ein DWD-Sprecher. Das ist ziemlich genau das Doppelte der dort üblichen Juli-Menge (54,5 Liter).

In Sachsen-Anhalt stiegen wegen des Dauerregens die Wasserstände einiger Flüsse stark an. Für die Holtemme im Harz galt an einem Pegel schon die höchste Alarmstufe 4, so die Hochwasservorhersagezentrale.

Auch in Brandenburg bereitete Hochwassergefahr Sorgen. Dort sollte Weidevieh auf sichere Flächen gebracht werden, rieten Behörden unter anderem für den Elbe-Nebenfluss Stepenitz. Dauerregen machte auch der Berliner U-Bahn Probleme: Zwei Linien konnten am Dienstagmorgen streckenweise nicht fahren. Berlin ist in diesem Sommer ein Regenloch. »Wir haben jetzt schon 304 Prozent des Mittelwerts für einen Juli gemessen«, sagte Heiko Wiese, Meteorologe an der Freien Universität. »Das ist am Rand der Fahnenstange.«

Nach Auskunft des DWD wird es bis Mittwoch vielerorts in Deutschland weiter regnen. In weiten Teilen Ostdeutschlands soll das schlechte Wetter laut bisheriger Vorhersage bis in die Nacht zum Donnerstag weitergehen.

Im Westen Deutschlands rechnen Experten trotz des vielen Regens nicht mit Hochwasser an Rhein, Ruhr und Mosel. »Zum derzeitigen Zeitpunkt kann man noch entspannt bleiben«, sagte Martin Klimmer von der Fachstelle Gewässerkunde der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt in Mainz. Auch das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt in Duisburg geht zunächst nicht von Hochwasserpegeln aus. Agenturen/nd