Weniger Soldaten, mehr Wissenschaft

Chinas reformierte und modernisierte Volksbefreiungsarmee begeht ihren 90. Jahrestag

  • Werner Birnstiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Pünktlich vor dem 90. Jahrestag der Volksbefreiungsarmee (VBA) am 1. August hielten russische und chinesische Marineeinheiten bis zum Wochenende dreitägige Manöver in der Ostsee, im »Herzen Europas«, ab. Demonstriert wurde damit, dass Chinas Armee mittlerweile in der Lage ist, auch außerhalb des eigenen Territoriums zu agieren. China also auf dem Weg zur militärischen Supermacht kontra USA, eine wachsende »chinesische Bedrohung« für die bestehende Weltordnung, um die eigene Macht global auszubauen, wie Washington verlautbart?

Peking betont nachdrücklich andere Ziele seiner Militärpolitik. Ursprünglich wurden die »Vier Modernisierungen« in China bereits 1963 vom legendären Ministerpräsidenten Zhou Enlai eingefordert. Sie betrafen Landwirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik sowie Verteidigung. Nach dem zehnjährigen »Chaos der Kulturrevolution« und Mao Zedongs Tod 1976 setzte Deng Xiaoping ab 1978 eine Reform- und Öffnungspolitik in Gang, bei der die VBA - fußend auf ihrer geschichtsprägenden Rolle als »Rote Armee« seit 1927 und ab 1949 eine der Säulen der Volksrepublik - jederzeit eine mitentscheidende Rolle spielte.

Die Politik der KP Chinas bestand seit Anfang der 1980er Jahre darin, die Streitkräfte zunehmend auf die Landesverteidigung als ihre eigentliche Aufgabe auszurichten. Mit Blick auf den 90. Jahrestag der VBA fasste Präsident Xi Jinping, zugleich Oberbefehlshaber, vergangene Woche zusammen, dass personelle Stärke, Struktur und Zusammensetzung der Teilstreitkräfte insbesondere seit 2013 grundlegend reformiert wurden - von quantitativer hin zu qualitativer militärischer Stärke.

Bisher vor allem auf den Landstreitkräften basierend, werden nun mit hohem wissenschaftlichen Aufwand komplexe Militärstrukturen geschaffen und ein koordiniertes Gesamtsystem mit Elite-Kampftruppen verbunden. Damit soll ständig höchste Einsatzbereitschaft gewährleistet werden. Noch bis Ende 2017 werden 300 000 Soldaten demobilisiert, die VBA wird dann zirka 1,9 Millionen Soldaten haben - das sind 0,13 Prozent der Gesamtbevölkerung. Chinas Militäretat stieg seit 2014 von umgerechnet 95 Milliarden Euro auf 139,8 Milliarden im Jahr 2017.

In China wird davon ausgegangen, dass sich nach dem Ende des Kalten Krieges die Gefahr eines Zerstörungskrieges USA/Russland wesentlich verringert habe. Streitigkeiten zwischen Staaten, regionale Konflikte, innere Spannungen, Bürgerkriege und terroristische Attacken sowie riesige Naturkatastrophen hätten jedoch enorm zugenommen.

Die modernisierte Verteidigungsfähigkeit Chinas wird daher mit aktuellen politischen und sicherheitspolitischen Zielen verknüpft. Nicht neu ist dabei die Position, dass China eine »friedliche Umgebung« für seine Entwicklung brauche. Darüber hinaus werden - beginnend 2002 mit humanitärer Hilfe in Afghanistan - Friedensmissionen mit UNO-Mandat unterstützt. 2016 flossen 844 Millionen Dollar für friedenserhaltende Missionen an die UNO, und seit 2015 wird eine 8000 Militärs starke Einheit aufgebaut, die für den sofortigen Einsatz bei UN-Friedensmissionen bereit steht. Zugleich werden Spezialkräfte zur Beseitigung von Landminen und anderen Sprengstoffen, für die Reparatur von Straßen, Brücken und Hafenanlagen sowie Fachpersonal für medizinische Nothilfe mit entsprechender Ausrüstung eingesetzt. Erfolgreich wird seit 2008 international die Piraterie bekämpft. Mehr als 1000 Mal gab es seither Geleitschutz für mehr als 6400 Schiffe, 43 Piratenangriffe wurden vereitelt.

Oberstes Gebot bleibt offiziell für die Volksbefreiungsarmee, Chinas nationale Sicherheit zu gewährleisten. Die Großmacht wolle zur globalen Sicherheit und Stabilität beitragen, ohne sich in ein Wettrüsten hineinziehen zu lassen.

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