Pfandsystem für Kaffeebecher im Allgäu geplant

Pro Jahr verursachen Einwegbecher in Deutschland 31 000 Tonnen Abfall - plus 9000 Tonnen durch Plastikdeckel

  • Lisa Forster, Kempten
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn er doch nur nicht so praktisch wäre: Der Becher zum Mitnehmen für den schnellen Kaffee zwischendurch. Pro Stunde gehen in Deutschland nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe rund 320 000 davon über die Ladentheke - um wenig später im Müll zu landen. Deshalb steht ihr Nutzen in keinem Verhältnis zu dem Schaden, den sie in der Umwelt anrichten. Die Stadt Kempten ganz im Süden Bayerns sagt den Bechern deswegen den Kampf an und plant ein Allgäu-weites Pfandsystem.

Ziel sei, dass die Kemptener bei einem großen Pool an Cafés, Bäckereien oder Tankstellen einen Mehrweg-Kaffeebecher gegen Pfand mitnehmen und auch woanders wieder abgeben können, erklärt Claus-Dieter Jaskolka vom Amt für Umwelt- und Naturschutz. Dabei soll der Kaffee im Pfandbecher immer günstiger sein als im Einwegbecher.

Tatort Musikfestival

Bei Musikfestivals im Sommer fallen jedes Jahr Hunderte Tonnen Müll an. »Das Müllaufkommen auf Festivals ist sehr problematisch«, sagt Philipp Sommer von der Deutschen Umwelthilfe. Denn es gebe in der Tendenz immer mehr Müll.

Dieser werde mitunter nicht getrennt gesammelt und müsse als Mischabfall entsorgt werden. Ein Recycling sei somit nicht mehr möglich. Beim dreitägigen Reggae-Festival Summerjam bei Köln mit 30 000 Besuchern etwa sind es etwa 120 Tonnen, sagt Festivalsprecher Klaus Maack. Die meisten Besucher zelten dort. Um diese für das Problem zu sensibilisieren, geben die Macher kostenlos Müllsäcke aus. Manche Veranstalter versuchen es inzwischen auch mit einem Müllpfand: Der Besucher zahlt mit dem Ticket zusammen zum Beispiel zehn Euro Pfand für einen Müllsack. Bringt er ihn gefüllt wieder, gibt es das gezahlte Geld zurück. Aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe ist es wichtig, dass die Veranstalter nicht nur Mehrwegbecher, sondern auch Mehrweggeschirr für das Essen benutzen. dpa/nd

Eine Kooperation mit den Städten Sonthofen und Immenstadt zeichne sich schon ab, sagte Jaskolka. Wann genau die Becher zu haben sein werden, ist noch unklar. Angestoßen wurde das Thema Ende 2016 durch Anträge mehrerer Stadträte - mit dem Ziel, Müll zu vermeiden. Denn die Einwegbecher sind eine große Umweltbelastung. »Pro Jahr verursachen Einwegbecher in Deutschland 31 000 Tonnen Abfall und zusätzliche 9000 Tonnen durch Plastikdeckel«, sagt Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe.

Weil die Pappbecher innen mit Kunststoff ausgekleidet sind, bleibe dieser als Mikroplastik in der Umwelt, wenn sich der Papieranteil abgebaut hat. Für die Herstellung der Becher werde außerdem viel Energie verbraucht, sagt Fischer - pro Jahr 320 Millionen Kilowattstunden. So viel, dass damit mehr als 100 000 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgt werden könnten.

Nicht zuletzt entstehen durch die Produktion der Becher nach Berechnungen der Umwelthilfe jährlich rund 83 000 Tonnen Kohlendioxid-Emissionen. Die Herstellung der dazugehörigen Polystyrol-Deckel verursache zusätzlich rund 28 000 Tonnen der schädlichen Klimagase.

Auch das Bayerische Umweltministerium hat die Einwegbecher als Problem erkannt und zwei Runde Tische mit Café-Betreibern, Bäckereien, Kommunen und Verbänden veranstaltet. »Wir unterstützen die Initiativen von Kommunen und Betrieben für Mehrweg«, sagt Landesumweltministerin Ulrike Scharf (CSU). »Dafür stehen wir jederzeit mit Know-how, als Moderator und Multiplikator zur Verfügung.« Doch finanziell gefördert werden Mehrwegsysteme bisher nicht: Es bleibt beim Appell an Verbraucher und Betreiber.

Initiativen wie in Kempten gibt es bereits in Berlin, Oldenburg, München, Rosenheim und Wasserburg am Inn. In den drei bayerischen Städten kann man Pfandbecher aus recycelbarem Kunststoff bei einem großem Netz von Kaffee-Anbietern kaufen und wieder abgeben. In der Landeshauptstadt machen rund 150 Cafés, Tankstellen, Bäckereien und andere Betreiber mit.

Kempten denke auch über ein spezielles Allgäu-Design auf den Bechern nach, sagt Jaskolka. Und dann müssen vor allem viele Teilnehmer für das Projekt gewonnen werden - denn davon hängt der Erfolg eines Pfandsystems am Ende ab. dpa/nd

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