nd-aktuell.de / 05.08.2017 / Politik / Seite 20

K-T, der Wahlkampfhelfer

Ganz leise kommt Karl-Theodor zu Guttenberg wieder in die Politik zurück

René Heilig

Er sei, so bestätigt Bayerns Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender Horst Seehofer, »dem Karl-Theodor sehr dankbar, dass er ein Teil unserer Mannschaft ist«. K-T, wie ihn Freunde nennen, zu denen Seehofer nicht unbedingt zu rechnen ist, ein »glänzender, talentierter, guter, international erfahrener Politiker«. Nun unterstütze er die CSU erst einmal im Wahlkampf, später »wird man zu entscheiden haben - mit ihm(!) - wie es politisch weitergeht«.

Ist K-T wieder im Kommen? Die Antwort Ja wäre falsch, ein Nein ebenso. Natürlich jongliert Seehofer mit den Seinen, er stellt mal den einen, mal die andere in die Sonne, um einen anderen oder eine andere in den Schatten zu schieben. Nachdem Seehofer in der »Welt am Sonntag« auch noch verkündet hatte, er würde Guttenberg gerne in Berlin sehen, reagierte Finanzminister Markus Söder, der sich noch immer Hoffnungen auf den Posten des Ministerpräsidenten in München macht, vergnatzt, als ein Reporter des »Deutschlandfunks« ihn auf den medial interessanteren Parteirivalen ansprach. Aus seiner Sicht spiele Guttenberg »für die aktuellen Herausforderungen« keine große Rolle. Doch er, Söder, finde es okay und habe kein Problem damit, »wenn jemand mithelfen will, uns zu stärken«.

Ein Jemand? Das ist der 1971 in München geborene Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg wahrlich nicht. Wahr ist: K-T ist nicht mehr der Senkrechtstarter, der zum Überflieger wird. Dazu war die Bruchlandung, die er nach dem Auffliegen seiner Abschreibkünste hinlegte, zu gnadenlos. 63,8 Prozent seiner Doktorarbeit entsprangen nicht eigener Leistung. Der Verdacht, Guttenberg habe einen zu faulen Ghostwriter angestellt, wispert noch immer durch die Welt.

Doch sich wegen des Karrierebruchs vor vier Jahren für alle Zeiten abzuschreiben, kommt für den Mann, nicht in Frage. Der Mann, der jetzt als Politikberater auskömmlich viele Brötchen verdient, hat seine Lektion offenbar gelernt. Vorerst kann er mit einem Platz im Rang leben.

Einst feierte man ihn als Ausnahmeerscheinung. Beim ersten Anlauf brachte er Sex-Appeal in die dröge deutsche Politik. Jung, dynamisch, gebildet, wohlerzogen, mit einer schönen Frau an seiner Seite und zwei zauberhaften Töchtern … Das erinnerte nicht nur Tante Emma, die beim Friseur bunte Blätter las, an die Kennedys. Der wird ins Kanzleramt einziehen, hieß es. In seiner fränkischen Heimat standen Übertragungswagen Schlange. Pfarrer, Krämer, Schlossgärtner gaben Auskunft über den »lieben Jungen«.

Die Marke Guttenberg hatte der Marke Christian Wulff um vieles voraus. Und doch lassen sich gesellschaftliche Gemeinsamkeiten zwischen K-T und dem einstigen Bundespräsidenten finden. Beide wurden plötzlich hoch gespült und in zu große politische Positionen getrieben. Das Verhältnis beider Politiker zu den (ver)führenden Medien erklärt nachträglich vieles über deren Macht und die Ohnmacht von Politik. Doch anders als in der Affäre Wulff hielt die »Bild«-Zeitung bis zum Schluss zu ihrem Titelhelden.

Der Freiherr aus bester Adelfamilie mit einem gefeierten Dirigenten als Vater saß sechs Jahre im Bundestag und hatte es in der CSU bis zum Generalsekretär geschafft, als er 2009 im politischen Berlin entdeckt wurde. Aus einer Not heraus. Ein Wirtschaftsminister wurde gebraucht. Er wurde es, mit 37 Jahren, um in der Opelkrise sofort zu General Motors, der damaligen Opelkonzernmutter, in die USA zu fliegen. Ein Macher! Und der Deutsche machte zumindest eine gute Figur. Die Amis mochten ihn, so etwas Exotisches wie einen echten Freiherrn sieht man dort selten. Dazu war er smart, sprach perfektes Englisch. Und auch wenn er ohne Ergebnisse heimkam, empfing ihn Beifall. Schließlich ließen die bunten Fotos von K-T auf dem New Yorker Times Square alle anderen deutschen Politiker verdammt grau aussehen. Guttenberg zog Wähler an. Vor allem Frauen und junge Leute. K-T sah sich - welch Widerspruch - als konservativer Erneuerer, nutzte den »Hype« um ihn und widersprach sogar ab und zu der Kanzlerin. Jedem anderen hätte sie das nicht durchgehen lassen. Er konnte verschiedene Rollen spielen. Glaubhaft. Zu Guttenberg befriedigte den Heimat- und Familiensinn vieler Menschen. Und doch: Wo er auftauchte, spielte man nicht - wie bei Seehofer noch immer - den bayerischen Defiliermarsch, es ertönte Michael Jacksons »Thriller« und K-T trug ein T-Shirt von AC/DC. Authentisch wolle er sein, versprach der Baron. Doch da war es längst zu spät. Der Hochglanzgierige sah nicht, wie er zur Titelblattfigur verbogen worden war. Auch die persönliche Freundschaft mit dem Ehepaar Diekmann - Kai Diekmann hatte bei »Bild« das Sagen - nahm er für bar.

Am 1. März 2013 war es vorbei. Die Kanzlerin hörte plötzlich auf, sich vor ihren Wunderjüngling zu stellen. K-T musste als Verteidigungsminister zurücktreten, nachdem ihm Demonstranten als Zeichen der Missachtung Schuhe an den ministeriellen Zaun gehängt hatten.

Was bleibt? Zu Guttenberg setzte die Wehrpflicht aus und nannte den Krieg in Afghanistan Krieg.

Was kommt? Abwarten. Es heißt, jeder hat eine zweite Chance verdient.