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Anti-Flüchtlings-Schiff auch in Tunesien nicht willkommen

Fischer verhindern mit ihrem Protest Einlaufen der »C-Star« / Verbindungen zwischen Identitären und Ermittlungen gegen »Jugend rettet« offengelegt

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 6 Min.

Die »C-Star« ist auch in Tunesien nicht willkommen. In der Küstenstadt Zarzis im Südosten des Landes spannten Fischer Banner mit der Aufschrift »No Racists« an ihre Boote, um zu zeigen, was sie von der Identitären-Mission »Defend Europe« halten. Ihr Protest war erfolgreich: Das Schiff mit den völkisch-nationalistischen Aktivisten an Bord lief den Hafen am Sonntag nicht an, wie die AFP berichtete. Unklar blieb, ob die »C-Star« versuchen würde an diesem Montag in Sfax oder Gabes doch noch einen Stopp in Tunesien einzulegen. Die AIS-Plattform marinetraffic zeigte das Schiff am Montagnachmittag Sfax. Den Angaben der Plattform zufolge machte das Schiff keine Fahrt.

Angeführt wurde der Protest in Zarzis von der Fischervereinigung. »Wir werden den Kanal schließen, der (den Schiffen) zur Versorgung dient«, drohte deren Vorsitzendee Chamseddine Bourassine. »Das ist das Mindeste, was wir tun können angesichts dessen, was im Mittelmeer geschieht, angesichts des Sterbens von Muslimen und Afrikanern«, so Bourassine gegenüber einem AFP-Reporter.

Die Agentur berichtete, dass zudem der 2015 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Gewerkschaftsdachverband UGTT am Montag dazu aufrief, die Landung der »C-Star« abzuwehren. »Lasst nicht das Rassismus-Schiff die tunesischen Häfen besudeln! Vertreibt sie, wie es eure Brüder in Zarzis und Sfax getan haben!«, schrieb UGTT.

Auch ein »Nordafrikanisches Kollektiv« hatte aufgerufen, sich am Protest zu beteiligen, um die »C-Star« »daran zu hindern, irgendwo anzulegen, bzw. in territoriales Gewässer einzudringen, mit den Besatzungen zu kommunizieren oder zu verhandeln«. In Griechenland, auf Zypern, auf Sizilien und in Ägypten hätten Bürger und antirassistische Gruppen die Rechtsradikalen bereits am Anlegen gehindert. Das sollte auch in Tunesien gelingen. »Mit ihren ‚Stay at Home‘-Bannern bekämpfen sie diejenigen, die keine Möglichkeiten haben, sich frei bewegen zu können noch über irgendwelche Ressourcen verfügen«, hieß es in dem Aufruf, den u.a. der Blogger Yannis Youlountas veröffentlichte.

Das von Identitären aus mehreren europäischen Ländern gecharterte Schiff »C-Star« hat Anfang Juli den Hafen von Djibouti zu einer Fahrt über das Mittelmeer verlassen. Über den Suez-Kanal und Zypern, wo das Schiff durch Kontrollen und Ermittlungen der Behörden tagelang aufgehalten wurde, nahmen die völkischen Nationalisten Kurs auf die Küste Libyens. Dort wollen sie nach eigenen Angaben die libysche Küstenwache auf Flüchtlingsboote aufmerksam machen und sie dazu bringen, die Geflüchteten zurück nach Libyen zu drängen. Gleichzeitig macht die sogenannte Identitäre Bewegung Stimmung gegen Hilfsorganisationen, die sich im Mittelmeer an der Seenotrettung von Bootsflüchtlingen beteiligen.

Die Erfolge der Rechtsradikalen halten sich bisher in Grenzen. Die »Huffington Post« kommt auf eine Sammlung von sieben Aktivitäten, darunter die Beschallung eines Rettungsschiffs mit einem Megafon, das Hissen von ein paar Flaggen und Bannern und eben auch die Blockade gegen ihr Schiff durch tunesische Fischer. Außerdem nutzten die völkischen Aktivisten den internationalen Notruf-Kanal, Kanal 16, um ihre politische Propaganda zu verbreiten. In einem Video fordert die Besatzung des privaten Rettungsschiff Golfo Azurro die »C Star« auf, die Funkdisziplin auf dem Kanal, der für Kontaktherstellung und Notrufe reserviert ist, einzuhalten.

Ernster zu nehmen ist dagegen ein Bericht des italienischen Investigativjournalisten Andrea Palladino über einen Zusammenhang zwischen den Identitären und der Festsetzung des Schiffs »Iuventa« durch italienische Behörden. In einem Dossier für das italienische Wochenmagazin »Famiglia Christiana« (ein Teil wurde inzwischen ins Englische übersetzt) legt er dar, dass Aktivisten des italienischen Idenitären-Ablegers »Generazione Identitaria« Hinweise gaben, die zu den aktuellen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Trapani geführt haben sollen. Bindeglied soll Marco Concas sein, ein Sprecher der Identitären mit Kontakten zu dem privaten italienischen Sicherheitsunternehmen IMI Security Service. Auf einer von dieser Firma betriebenen Social-Media-Seite sollen im Oktober 2016 erste Meldungen an den italienischen Auslandsgeheimdienst AISE und an die Polizei über »verdächtige Bewegungen« der »Iuventa« gemacht worden sein.

Famiglia Cristiana zitiert aus den Akten des Ermittlungsrichters mit Bezug auf zwei verdeckte Ermittler: »Insbesondere die Angaben von M.L. und G.P., als Angestellte von ‚IMI Security Service‘ vorübergehend an Bord der ‚VOS HESTIA‘ (zugehörig zur NGO ‚Save the Children‘) beschäftigt, die Ausgangspunkt des vorliegenden Strafverfahrens sind …«. Sie zeigten »gewisse Anomalien in den Search-and-Rescue-Operationen der ‚Iuventa‘ insbesondere in den entscheidenden Phasen der Seerettung [an], die oft in der Nähe der libyschen Küste erfolgte«.

Das Schiff des deutschen Vereins »Jugend rettet« wurde am 2. August von den italienischen Behörden beschlagnahmt. Die Organisation bestreitet jedoch den Vorwurf, mit Schleppern zusammenzuarbeiten und hofft, die Arbeit auf dem Mittelmeer fortsetzen zu können. Inzwischen haben knapp 1600 Personen die Online-Petition »Seenotrettung ist kein Verbrechen« unterzeichnet. Darin werden u.a. die italienischen Behörden aufgefordert, die »Iuventa« an Jugend rettet zurückzugeben.

Einer der zurzeit lautesten Fürsprecher von Jugend rettet ist Erik Marquardt. Der Fotograf und Grünen-Direktkandidat bei der Bundestagswahl im Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick zeichnet sich für die Online-Petition verantwortlich und berichtete aus eigener Anschauung in einem Facebook-Eintrag über »Beweise« gegen die »Iuventa«-Crew und andere Seenotretter, die keine seien. Die Bilder, die die italienischen Behörden veröffentlichten, um eine Zusammenarbeit der Helfer und Schlepper zu zeigen, seien aus dem Kontext gerissen. Sie legten vielmehr dar, dass genauso diese Boote für die Retter gefährlich sein können, schreibt Markquardt unter Bezugnahme auf ein Video.

Denn es sei davon auszugehen, dass die »Engine-Fisher« bewaffnet seien. Sie versuchen, so Marquardt, die Motoren der Flüchtlingsboote zu stehlen. »Oft können die NGOs, die nicht bewaffnet sind, nicht gegen diese Engine-Fisher vorgehen und sind ihnen selbst schutzlos ausgeliefert.« Während sie »ohne relevante Beweisführung schikaniert werden«, gebe es zahlreiche Nachweise für die Zusammenarbeit von libyscher Küstenwache mit Schleppern oder Engine-Fishern. Der Grünen-Politiker kommt zu dem Schluss, dass diese offensichtliche Zusammenarbeit in Kauf genommen werde. Die europäischen Regierungen wollten offenbar eher verhindern, »dass weiter Hilfsorganisationen Geflüchtete aus Seenot retten.« Mitarbeit: Moritz Wichmann

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