nd-aktuell.de / 20.08.2017 / Politik

Schriftsteller Akhanli kommt unter Auflagen frei

Der Autor muss in Madrid bleiben / Ankara beschuldigt ihn des Terrorismus

Der auf Betreiben der Türkei in Spanien festgenommene deutsche Schriftsteller Dogan Akhanli kommt unter Auflagen frei. Er muss aber zunächst in der Hauptstadt Madrid bleiben, wie sein Anwalt Ilias Uyar der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. »Er ist erschöpft«, sagte Uyar. Die Türkei habe jetzt 40 Tage Zeit, einen Auslieferungsantrag in Spanien zu stellen und zu begründen. Dann werde es in Spanien ein Auslieferungsverfahren mit Anhörung geben.

Der Fall um Akhanli entwickelt sich immer mehr zum Politikum. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) schaltete sich zuvor ein, um eine Auslieferung des türkischstämmigen Mannes an die Türkei zu verhindern. Er telefonierte am Samstagabend mit seinem spanischen Kollegen Alfonso Dastis, wie das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte. Dabei habe er den Wunsch geäußert, dass Akhanli nicht an die Türkei ausgeliefert und Deutschland in das Auslieferungsverfahren einbezogen wird. Außerdem habe er um schnellstmögliche konsularische Betreuung des Schriftstellers gebeten. Zuvor hatte sich schon die deutsche Botschaft in Madrid mit entsprechenden Wünschen an die spanische Regierung gewandt.

Der türkischstämmige Kölner Schriftsteller war am Samstag im Urlaub in Spanien als Folge einer sogenannten Red Notice bei Interpol auf Betreiben der Türkei festgenommen worden. Akhanli lebt seit seiner Flucht aus der Türkei 1991 in Deutschland und hat ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Ihm werde die Mitgliedschaft in einer bewaffneten, terroristischen Vereinigung vorgeworfen, berichtete die spanische Nachrichtenagentur Europa Press unter Berufung auf Polizeikreise. Offiziell bestätigt ist das bislang nicht. Akhanlis Anwalt Ilias Uyar sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Festnahmeantrag sei aus der Türkei gekommen. Dies bestätigte auch die spanische Polizei.

In Deutschland löste die Festnahme Empörung aus. Es sei ein Skandal, wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Türkei unschuldige Menschenrechtsaktivisten und Journalisten verhaften lasse, sagte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. »Wenn er dies nun auch außerhalb des Territoriums der Türkei versucht, müssen wir uns als Europäer dem entschlossen entgegenstellen und sagen: so nicht!« Grünen-Chef Cem Özdemir forderte, die polizeiliche Zusammenarbeit der EU mit der Türkei neu zu bewerten. »Gegner des türkischen Regimes dürfen in Europa künftig nicht ungeprüft als Kriminelle verhaftet werden«, sagte er dem »Tagesspiegel«. »Wie weit wollen wir Erdogan in Europa noch kommen lassen?«, fragte Linke-Chefin Katja Kipping.

Die Schriftstellervereinigung PEN vertrat die Ansicht, das Verfahren gegen Akhanli sei »eindeutig politisch motiviert«. PEN-Vizepräsident Sascha Feuchert und viele Politiker forderten zuvor die spanischen Behörden auf, den Autoren keinesfalls an die Türkei auszuliefern und sofort freizulassen. Der Journalistenverband DJV rief Journalisten dazu auf, sich vor Auslandsreisen beim Bundeskriminalamt über mögliche Haftbefehle oder Fahndungen im Ausland zu informieren. Man rate türkeikritischen Kollegen »dringend«, eine Selbstauskunft beim BKA zu beantragen. Die Festnahme Akhanlis auf Betreiben der Türkei sei als Warnzeichen zu verstehen, sagte der Bundesvorsitzende Frank Überall. »Journalisten brauchen Klarheit darüber, ob ein unbeschwerter Urlaubstrip ins Ausland im Knast endet.«

In seinen Werken befasst sich der 1957 geborene Schriftsteller auch mit der Verfolgung der Armenier in der Türkei. Er selbst wurde nach dem Militärputsch als Mitglied der kommunistischen TDKP 1984 verhaftet. Von 1985 bis 1987 saß er in Istanbul in einem Militärgefängnis.

Der autoritäre Präsident Recep Tayyip Erdogan warnte derweil Bundesaußenminister Gabriel in einer scharfen persönlichen Attacke vor weiterer Kritik an der Türkei. »Er kennt keine Grenzen«, kritisierte Erdogan in einer Rede vor Anhängern in der Provinz Denizli mit Blick auf Gabriel. Erdogan richtete sich direkt an den deutschen Minister: »Wer sind Sie, dass Sie mit dem Präsidenten der Türkei reden? Beachten Sie Ihre Grenzen!« Des weiteren kritisierte der türkische Präsident, dass Gabriel versuche, »uns eine Lektion zu erteilen«. Wiederum an den Bundesaußenminister gerichtet fügte Erdogan hinzu: »Wie lange sind Sie eigentlich in der Politik? Wie alt sind Sie?« Mit seiner Kritik reagierte Erdogan offenbar darauf, dass sich Gabriel - wie andere deutsche Politiker auch - jede Einmischung des türkischen Präsidenten in den deutschen Wahlkampf verbeten hatte. Zuvor hatte Erdogan türkischstämmige Wähler in Deutschland aufgefordert, bei der Bundestagswahl nicht CDU, SPD oder Grüne zu wählen. Agenturen/nd