Erdogans Angst

Velten Schäfer über den Fall Akhanli und die türkische Politik

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.

Was in dem türkischen Auslieferungsgesuch für Doğan Akhanli stehen wird, das nun zu liefern ist, war am Sonntag unbekannt. Ebenso warten muss man auf die Entscheidung der spanischen Justiz, wenn auch seine einstweilige Freilassung für den deutsch-türkischen Schriftsteller ein gutes Omen ist.

Bereits erkennen lassen sich aber die politischen Subtexte der Affäre: Ankara lässt nicht nach in seinem Bemühen, Europa und Berlin Ärger zu machen. An der Verhaftung Akhanlis kurz nach Erdoğans Aufruf zu einem Boykott der Bundestagswahl ist nur der Zeitpunkt Zufall.

Dieses Muskelspiel aber hat vor allem einen innenpolitischen Zweck: In etwas mehr als zwei Jahren findet jene Präsidentschaftswahl statt, in der Erdoğan entweder die Früchte seiner mühsam durchgesetzten Präsidialverfassung ernten oder von der Bühne verschwinden wird. Daher arbeitet er nun druckvoll an jenem Bild des unverzichtbaren, fremden Mächten die Stirn bietenden Vaterlandsvaters, mit dem er 2019 gewinnen will.

Und dabei könnte gerade sein jüngstes Ziel eine wichtige Trophäe sein: Akhanli ist zwar inzwischen ein scharfer Kritiker der AKP, war zuvor aber vor allem den Nationalisten verhasst. In deren Lager ist nun erst kürzlich eine neue Sammelbewegung um die frühere Innenministerin Meral Akşener entstanden, die Erdoğan gefährlich werden kann - anders als die sozialdemokratische CHP oder die linke HDP.

So lässt sich seine Kraftmeierei, wie oft bei »starken Männern«, auch als Angst entziffern.

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