Jemand gegen Gleichstellung?

Frauenquote, Lohnungleichheit, Verbandsklagerecht: Die Vorschläge der Parteien

  • Samuela Nickel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die SPD will laut ihrem Programmpapier endlich »echte Gleichstellung«. »Seit mehr als 150 Jahren ist die Gleichstellung von Frauen und Männern ein zentrales Ziel unserer Politik«, schreibt die Partei. Sie wolle nun einen »Aktionsplan Gleichstellung« erstellen, mit dem sie Maßnahmen bündeln und überwachen kann, zudem wolle sie eine Stelle einrichten, die berät und Ergebnisse für die Öffentlichkeit aufbereitet.

Konkret will die SPD das Transparenzgesetz zu einem Entgeltgleichheitsgesetz mit Verbandsklagerecht weiterentwickeln. Damit könnten Frauen nicht nur individuell klagen, vielmehr könnten auch Verbände stellvertretend für Betroffene bei strukturellen Benachteiligungen klagen. Zudem setzt sich die SPD das Ziel, dass Führungsgremien in der Privatwirtschaft, im öffentlichen Dienst, in Medien, Kultur und Wissenschaft jeweils zu 50 Prozent mit Frauen und Männern besetzt sind. Die Sozialdemokraten wollen eine Gesamtstrategie entwickeln, um die Frauenquote auf alle Unternehmen, auf Körperschaften des öffentlichen Rechts wie die Sozialversicherungen und auf alle Gremien wie Vorstände und Aufsichtsräte auszudehnen.

Ins Licht gerückt

Im Wahlkampf streiten die Parteien über Renten, Jobs, Gerechtigkeit und Sicherheit. Wir werden, zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern, die Positionen unter die Lupe nehmen. Aber zunächst einmal nehmen wir wichtige Themen in den Blick, die im Wahlkampf keine wichtige Rolle spielen.

Alle Texte aus der Serie und viele weitere zur Bundestagswahl 2017 unter: dasND.de/btw17

Die Grünen sind mit ihren Forderungen zur Gleichstellung konkreter. Sie kritisieren das bisherige Gesetz zur Frauenquote, das nur für 101 Unternehmen gelte und wenig daran geändert habe, dass die Mehrheit der Führungsgremien noch immer »Männerrunden« seien. Mit einer 50-Prozent-Frauenquote für die 3500 börsennotierten und mitbestimmten Unternehmen wollen sie dagegen angehen. Zudem wollen sie Maßnahmen für Führungspositionen entwickeln, die auf allen betrieblichen Ebenen wirken, in denen Frauen unterrepräsentiert sind. Außerdem befürworten die Grünen ein »echtes« Entgeltgleichheitsgesetz mit Verbandsklagerecht, das auch für kleine Betriebe gelten soll. Dabei solle ein Lohncheck aufdecken, ob Frauen ungleich bezahlt werden. Unternehmer sollen verpflichtet sein, tarifliche und nichttarifliche Lohnstrukturen auf Diskriminierung zu überprüfen.

Die Linkspartei grätscht an diesem Punkt rein. Sie fordert zwar in ihrem Wahlprogramm ebenso ein verbindliches Entgeltgleichheitsgesetz mit Verbandsklagerecht sowie eine verbindliche Frauenquote von 50 Prozent für alle Aufsichtsräte und Vorstände aller Unternehmen. Gleichstellung ist für die Linkspartei letztlich aber nur ein Etappenziel: »Es geht nicht darum, dass Frauen das gleiche Recht bekommen sollen, sich im Hamsterrad bis zur Erschöpfung abzustrampeln, ihre Arbeit unter Zeitstress zu erledigen und schlecht bezahlt zu werden - so wie viele Männer auch.« Sie verbindet Lohngleichheit mit der Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden oder einen Sechs-Stunden-Tag, bei vollem Lohn- und notwendigem Personalausgleich.

Die Grünen wie die Linkspartei positionieren sich in ihren Wahlprogrammen klar feministisch und weisen auf Probleme hin, die durch die AfD und ihren antifeministischen Diskurs vergrößert werden. »In Deutschland machen Rechtspopulist*innen gegen Gleichstellung und Gender Mainstreaming mobil und wollen Frauen wie Männer am liebsten wieder in traditioneller Rollenaufteilung sehen«, schreiben die Grünen.

Die Linkspartei betont, dass Gleichstellung und Feminismus gerade bei dieser Bundestagswahl überaus wichtig sind. »Die rechtspopulistische Bewegung macht Stimmung gegen Menschen und deren Forderungen nach Gleichstellung, die nicht in ihr reaktionäres Weltbild passen. Und sie instrumentalisiert feministische Kritik für ihre rassistischen Parolen«, schreibt sie. Bestes Beispiel dafür ist das Wahlplakat der Rechtsaußenpartei, auf dem zwei Frauen am Strand unter dem Spruch »›Burkas?‹ Wir steh’n auf Bikinis« abgebildet sind.

Dies zeigt: Wichtig ist es, sich dem Thema Gleichstellung intersektional zu nähern und politische Forderungen nicht an einer scheinbar homogenen Masse von »Frauen« auszurichten. Die SPD räumt ein, die Gleichstellung sei eine »Querschnittsaufgabe, die alle Bereiche durchziehen muss«. Die Grünen wissen, »dass es mehrfache Diskriminierungen gibt. Eine Frau Özlem hat größere Probleme auf dem Arbeitsmarkt als Frau Müller.« Die Linkspartei schreibt von einer »doppelten Diskriminierung« von Migrantinnen an Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit.

Die etablierten Parteien verharren aber, was intersektionale Gleichstellungspolitik anbelangt, dennoch in der Eindimensionalität. Einen Gegenversuch dazu gibt es von »Die Urbane« (DU), einer Partei, die sich im Mai gegründet hat und erst vor Kurzem zur Bundestagswahl zugelassen wurde.

Die kleine Partei positioniert sich für eine emanzipatorische Gesellschaft, Gleichstellung und Selbstbestimmung. Ihr Credo ist: Politik soll nicht für Menschen gemacht werden, sondern mit ihnen. Bei ihren Forderungen zur Gleichstellung wird das Geschlecht nicht als einzelnes Diskriminierungsmerkmal herausgehoben, sondern vielmehr auf die dahinterstehenden strukturellen Probleme, Privilegien und die Zusammenwirkung verschiedener Machtfaktoren hingewiesen.

»Die Urbane« fordert eine aktive Gleichstellungspolitik in Absprache mit diversen Interessenvertretungen. Besonders berücksichtigt werden sollen Gruppen und Minderheiten, die aufgrund struktureller Benachteiligung keine Interessenvertretung haben, wie geflüchtete Menschen, Wohnungs- und Obdachlose, »von Armut Betroffene, Sex-Arbeiter*Innen, Mehrfach-Diskriminierte«.

»Die Urbane« hat in ihrem Wahlprogramm konkrete Vorschläge für den Alltag: Die diskriminierungskritische Überarbeitung der Curricula in Schulen, Unis und Ausbildungen, die Regulierung sexistischer und rassistischer Werbebotschaften und die Etablierung diskriminierungsfreier Sprache und Schrift im öffentlichen Dienst.

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