Im Kampf mit den Fertigmachern

Die «Aktion./.Arbeitsunrecht» hat seit Kurzem eine Anlaufstelle in Köln für alle von der Arbeitswelt Gebeutelten und Geknechteten

  • Siegfried Schmidtke
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein auffallend großes Leuchtreklameschild über der Fensterfront in der Luxemburger Straße 176 markiert in Köln ein neues Ladenlokal: Hier hat seit drei Monaten das bundesweit einzige Büro des Vereins «Aktion./.Arbeitsunrecht» einen Raum bezogen. Der gewöhnungsbedürftige Name lehnt sich an die juristische Schreibweise von Streitsachen an: «./.» heißt so viel wie «gegen», wie es zum Beispiel bei Scheidungsverfahren «Müller./.Müller» verwendet wird. Jessica Reisner und Elmar Wigand sitzen an diesem verregneten Augusttag in einem gekachelten, an einen OP-Saal erinnernden Raum hinter ihren Monitoren. Die Fliesen stammen noch aus der Zeit, als eine Metzgerei den Laden nutzte. Die Wände ließen sich so leichter von Knochensplittern und Blutspritzern reinigen. Hauen und Stechen waren hier also mal angesagt.

Im Grunde gilt das auch für das heutige Arbeitsfeld, das hier beackert wird. Das ist die moderne Arbeitswelt, in der Hauen und Stechen an der Tagesordnung ist. Eine Arbeitswelt, die sich mehr und mehr durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse ohne Tarifverträge, durch Leiharbeit, (Sub-Sub-)Subunternehmertum und dem in Amerika üblichen, in Europa auch schon weit verbreiteten «Union Busting» auszeichnet, was so viel bedeutet, wie Gewerkschaften zu zerschlagen.

Obwohl weit verbreitet, wird das Hauen und Stechen in der modernen Arbeitswelt selten öffentlich. Weil es für die betroffenen Beschäftigten meist um die Existenz geht, trauen sich nur wenige, das ihnen zugefügte Unrecht publik zu machen. Noch kleiner ist die Zahl derer, die es wagen, dagegen vorzugehen. «Genau deshalb», sagt Elmar Wigand, «ist die Aktion gegen Arbeitsunrecht im Januar 2014 gegründet worden.» Neben den beiden Büro-Aktivisten gehört der Kölner Publizist Werner Rügemer zu den Gründungsmitgliedern des Vereins, der heute rund 300 Mitglieder zählt. Mit dem im Mai eröffneten Büro bietet der Verein nun eine Anlaufstelle für alle, die von Ausbeutung und Schikane am Arbeitsplatz betroffen sind.

Viele Reinigungskräfte im Hotel- und Gaststättengewerbe gehören zu diesen Gebeutelten. Jessica Reisner nennt das Beispiel einer brasilianischen Putzfrau, die von der Zingsheim GmbH, einem Subunternehmen für die Zimmerreinigung im Düsseldorfer Luxushotel «Interconti», eingesetzt wurde. Obwohl der vereinbarte Lohn über dem gesetzlichen Mindestlohn lag, wurde die Putzfrau de facto mit einem deutlich geringeren Stundenlohn abgespeist. Denn der Subunternehmer setzte den Zeitrahmen für die Reinigung eines Zimmers so eng, dass eine gründliche Reinigung in dieser Zeit unmöglich war. Die Brasilianerin putzte gewissenhaft und kam so auf täglich acht Stunden. Bezahlt wurden aber nur knapp fünf. «Die Überstunden wurden einfach nicht bezahlt», sagt Reisner. «Die Dreistigkeit des Subunternehmers gipfelte im Abzug einer täglichen Essenspauschale von 3,57 Euro vom Lohn.» Dabei habe die Frau gar keine Zeit zum Essen.

Im Juni demonstrierte die Aktion./.Arbeitsunrecht deshalb zusammen mit betroffenen Putzfrauen vor dem Interconti auf der noblen Düsseldorfer Königsallee. «Arbeitsrechte sind Menschenrechte» und «Gegen Lohnraub» war auf ihren Plakaten zu lesen. Neben unbezahlten Überstunden gehört vor allem vorenthaltenes Kranken- und Urlaubsgeld zum systematisch betriebenen Lohnraub, gegen den der Verein vorgeht. Leider wüssten nur wenige der Millionen geringfügig Beschäftigten, dass sie Anspruch darauf haben, sagt Reisner. Kaum jemand poche auf diese gesetzlich festgelegte Leistung.

Ein anderer Schwerpunkt der Kölner Aktivisten ist der Kampf gegen «Union Busting». Die USA gelten als Mutterland für dieses Vorgehen. «Dort existiert eine ausgeprägte Gewerkschaftsvermeidungsindustrie mit Tausenden von Union Busting-Consultants in spezialisierten Anwaltskanzleien», weiß Wigand. Doch auch in Deutschland haben findige Juristen das Verhindern oder Zerschlagen von Betriebsräten als lukrative Einnahmequelle entdeckt. «Der wohl bekannteste deutsche Union Buster ist Helmut Naujoks, sagt Wigand. Der Mann wurde im »Spiegel« mal als »Betriebsrätefresser« bezeichnet.

Wigand findet es vollkommen unverständlich, dass die Machenschaften dieser Branche von den deutschen Strafverfolgungsbehörden weitgehend ignoriert werden. Die Behinderung von Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit sei nach Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetzes eine Straftat - »in der Bundesrepublik die wohl am wenigsten verfolgte«.

Das ist einer der Gründe, warum die Aktion./.Arbeitsunrecht jedes Jahr an einem »Freitag, den 13.« Aktionstage gegen Firmen und Kanzleien veranstaltet, die nach einer Online-Abstimmung als besonders rabiate Arbeitsrechte-Verhinderer nominiert werden. Der nächste Schwarze Freitag findet am 13. Oktober statt. Nominiert sind das Deutsche Rote Kreuz, H&M und der Mercedes-Zulieferer Rotec.

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