War das Verbot von »Linksunten Indymedia« etwa verboten?

Nach Abschaltung des linken Nachrichtenportals arbeiten Anwältinnen mit Hochdruck / Vereinskonstrukt und Durchsuchungen werden hinterfragt

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 4 Min.

Am 25. August hat die Polizei in Freiburg vier Wohnungen und die Räume eines Vereins durchsucht. Die Maßnahme stand im Zusammenhang mit dem Verbot der Internetplattform für selbst geschriebene Artikel und Nachrichten »Indymedia Linksunten«. Sowohl das Konstrukt, gegen das im Auftrag des Innenministeriums vorgegangen wird, als auch die Art und Weise des Vorgehens wecken größte Zweifel an der Rechtmäßigkeit.

Konstruiert wird ein Verein, der das inkriminierte Portal betreibe - »ein Verein im Sinne des weiten Vereinsbegriffs des Vereinsgesetzes«, wonach es nicht auf die Rechtsform ankomme, wie das Innenministerium am 26. August im Kurznachrichtendienst Twitter schrieb. »Dass eine Online-Plattform, die nur Technik zur Verfügung stellt, vereinsrechtlich verboten werden kann, ist in meinen Augen einmalig«, sagte am Dienstag auf Anfrage die Lörracher Anwältin Angela Furmaniak, die zwei von den Hausdurchsuchungen betroffene Personen vertritt. Von Beschuldigten solle hier nicht gesprochen werden, so Furmaniak, denn bisher sei kein Strafverfahren in dieser Sache bekannt. Umso alarmierender ist es, dass die Pressefreiheit betroffen ist. Die »Reporter Ohne Grenzen« kritisierten, dass hier die Regierung ein Medium verbiete, wozu sie überhaupt nicht befugt sei.

Laut Furmaniak richtet sich die Verbotsverfügung des Verwaltungsgerichts Freiburg gegen drei Personen. Offensichtlich wird unterstellt, dass es weitere Beteiligte gibt, denn auf Basis von Dokumenten, unter anderem vom Verfassungsschutz, welche die Betroffenen bisher nicht einsehen durften, richteten sich die Hausdurchsuchungen gegen insgesamt fünf Personen.

Zur Begründung des Verbots habe das Innenministerium eine »wilde Sammlung« von Zitaten von »Indymedia Linksunten« vorgelegt, berichtet Furmaniak: »Sie haben sich über Jahre ein paar Sachen rausgepickt - einen verschwindend geringer Teil all dessen, was auf der Plattform erschienen ist.«

Eigentlich müssten laut Telemediengesetz zuerst die für die Plattform Verantwortlichen über inkriminierte Inhalte, die offensichtlich nicht von ihnen stammen, informiert werden, bevor sie dafür haftbar gemacht werden können. Derartiges ist bei »Linksunten« nicht geschehen. Das Verbot könnte dem Wahlkampf dienen, vermutet Furmaniak - zumal sie in der 90-seitigen Verbotsverfügung keinen Grund finde, warum gerade jetzt gegen die Plattform zugeschlagen wird und nicht schon vorher. Furmaniak und andere weisen zudem darauf hin, dass hier ein völlig anderer Umgang gepflegt wird als mit diskriminierenden und volksverhetzenden Äußerungen bei Facebook. Das Innenministerium hatte dazu auf Twitter mehrfach geschrieben, dass Facebook und Twitter sich glaubhaft von rechtswidrigen Äußerungen distanziert hätten.

Ähnlich rechtsfehlerhaft wie diese Hausdurchsuchungen erscheint die Durchsuchung des politischen Zentrums KTS (Kulturtreff in Selbstverwaltung) in Freiburg, das verschiedenen Gruppen als Anlaufstelle dient. Zwischen den Menschen, die in der Verbotsverfügung genannten werden, und der KTS bestehe »keine formale Beziehung«, sagte die Anwältin des Zentrums, Katja Barth, am Dienstag auf Anfrage. Warum das Politik- und Kulturzentrum dennoch durchsucht wurde, sei nicht mitgeteilt worden, was sie »hochproblematisch« finde. Mehr noch: Obwohl beides vorgeschrieben sei, habe es bei der KTS-Durchsuchung weder eine/n neutrale/n Zeug_in gegeben, noch sei versucht worden, mit dem Vorstand des KTS-Vereins Kontakt aufzunehmen.

Von den Behörden wird die KTS als »Vereinssitz« von »Indymedia Linksunten« angesehen, dies erklärte das Zentrum am 28. August. Öffentliche Treffen von »Indymedia Linksunten« habe es aber im Lauf der Jahre in mehreren Städten gegeben, sagt Barth. 2013 fand auch eines in der KTS statt. Die Konsequenzen der Unterstellung sind jedenfalls gravierend: »Neben fast sämtlicher technischer Ausstattung und Unterlagen wurde die Post diverser Gruppen und Einzelpersonen entwendet, wurden Kaffeekassen ausgeraubt und Tresore aus den Wänden gerissen«, ist in der Erklärung zu lesen. Zudem wurden Türen aufgebrochen.

Barth ist nun dabei zu erforschen, wo die mitgenommenen Gegenstände sind, denn die ihr bisher zugegangene Liste sei »vage«. Daraus gehe weder hervor, wo genau in der KTS Waffen gefunden wurden, noch, ob darunter verbotene Waffen sind. Auch wer überhaupt das Verfahren führt (nämlich das Regierungspräsidium in Stuttgart), habe sie erst nach mehreren Telefonaten erfahren. »Auf meinen Antrag auf Akteneinsicht hin wurde mir mitgeteilt, dass ich erst beweisen müsse, dass der von mir vertretene Verein die durchsuchten Räumlichkeiten mietet«, erzählt Katja Barth. Das wertet sie als Hinhaltetaktik, denn der gemeinnützige Verein miete diese Räume seit 1998 von der Stadt. Sie geht deshalb davon aus, dass sich die Aufklärung der Ereignisse über Monate, wenn nicht sogar Jahre hinziehen werde.

Gegen die Durchsuchungsbeschlüsse und die Beschlagnahmung der Gegenstände wurde mittlerweile beim Verwaltungsgericht Freiburg Beschwerde eingelegt. Gegen das Vereinskonstrukt und die Unterstellung, die im Vereinsverbot genannten Leute seien Teil dieses Pseudo-Vereins, wurde Klage beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht.

Nicht justiziabel ist wohl die Verleumdung, die das Innenministerium dadurch betrieb, indem es die bei den Durchsuchungen gefundene »Waffen« mit »Linksunten« in Verbindung brachte. Laut Anwältin Furmaniak wurden bei den Durchsuchungen der Privaträume keinerlei Waffen beschlagnahmt. Die Zuordnung der Funde in der KTS zu den vom Vereinsverbot betroffenen Menschen dürfte unmöglich sein.

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