Tanzen und einheizen

In einem Club in Antwerpen wird die Abwärme der Tanzenden gespeichert

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.

Climaciat steht auf dem schwarzen Klotz, vor dem Joachim Marynen in dem Lagerraum hinter dem Tresen des Ampere steht. «Mit dem Gerät fangen wir die Abwärme der Tanzenden auf. De facto wird dabei ein Luftaustausch vorgenommen: Die erhitze Luft wird abgesaugt, gespeichert und kann bei Bedarf in unser Heizsystem eingespeichert werden - zum Beispiel, wenn wir eine Lesung veranstalten», erklärt der 39-jährige Betreiber des Ampere. Die warme, komprimierte Luft hält sich in unserem Tank relativ lang, wir sind mit dem System wirklich zufrieden«, erzählt Marynen. Das System wurde für das Ampere ein wenig modifiziert, ist aber in Industrieanlagen bereits weit verbreitet.

Durch Zufall ist er auf die Technik aufmerksam geworden. Und da er sich zum Ziel gesetzt, hat Belgiens ersten »grünen Club« zu eröffnen, war es für ihn selbstverständlich, die Technik zu installieren. »Unsere Sanitäranlagen funktionieren mit so wenig Wasser wie möglich, wir benutzen keine Papierhandtücher und wenn unsere Kühlschränke die Kühltemperatur erreicht haben, fahren sie herunter und sparen Energie.«

»Weniger ist mehr« - so lautet die Devise, nach der im Ampere gearbeitet wird. Die Anlage kommt ohne Vorverstärker aus, bei der Lichtshow, die in einem Club, in dem sehr viel Techno läuft, ein zentraler Baustein ist, wird konsequent auf LED gesetzt, um Energie zu sparen.

Der im Zentrum Antwerpens in einer alten Bahnkasematte untergebrachte Club soll peu à peu um ein Restaurant und um einen Plattenladen erweitert werden. Ziel ist es, aus dem Ampere einen Ort zu machen, wo sich Kreative Treffen, um Spaß zu haben. Sie sollen aber auch Ideen entwickeln können.

Die Location liegt unter einem Gleisstrang, der zu Antwerpens Hauptbahnhof führt. Beim Ausbau wurde mit recycelten Materialien gearbeitet. »Wir haben alte Stahlträger aus dem Hafen verbaut und Altholz, mit dem die Ladeflächen von Lastwagen ausgelegt waren.«

»Und natürlich setzen wir auch auf Recycling«, erklärt der DJ und Vinylliebhaber. Recycelter Plastikbecher werden im Ampere gegen Pfand ausgegeben. Auch bei der Getränkeauswahl versucht Marynen, ein Zeichen zu setzen. So wird mit einem belgischem Mineralwasserhersteller zusammengearbeitet, mit Show Fontaine, der nachhaltig produziert.

Das Bier kommt nicht in Kisten oder Fässern, sondern wird im Tankwagen angeliefert. Tanks mit 4000 Liter Fassungsvermögen, aus denen direkt gezapft wird, machen es möglich. So ist die Anlieferung von Getränken auf ein Minimum beschränkt.

Auf 750 Quadratmeter erstreckt sich die Veranstaltungsfläche des Ampere. Insgesamt wird auf 1200 Quadratmetern gearbeitet, wozu auch das Büro über der Location gehört, wo das Programm zusammengestellt wird. Bekannte Techno-DJs aus dem Bekanntenkreis von Joachim Marynen legen hier ihre raren Vinyl-LPs auf, Konzerte finden statt, aber auch Workshops, Lesungen oder Seminare. Offen für alle Veranstaltungsformate will das Ampere sein, das Angebot rund um den Club soll ausgebaut werden. »Ein Plattenladen für alle Vinylfreaks wollen wir eröffnen und ein Restaurant, wo orthodoxe Juden, die in der Nachbarschaft leben, genauso wie Inder und ganz normale Belgier etwas auf der Speisekarte finden«, schildert Marynen seine Pläne.

Die realisieren sich langsam, denn rund ums Ampere gibt es immer was zu tun. Auch zum Reinigen der Recycling-Container ist sich der Chef nicht zu schade. Für ihn ist das Ampere Teamwork, Ziel ist die Verbreitung der Idee.

Eine Brücke zwischen Musik und nachhaltigem Leben will er bauen. Die Idee dazu kam ihm auf Reisen. Unter anderem auf Zypern, wo er die Unterwasserwelt von Plastik verseucht vorfand. Beim Tauchen fiel ihm auf, dass es deutlich weniger Tiere gab als bei seiner ersten Visite zehn Jahre zuvor. Seitdem ist er sicher, dass sein ökologischer Fußabdruck kleiner werden muss.

Das Ampere ist ein Beitrag dazu. In Antwerpens Clublandschaft ist das Signal angekommen, wozu auch das positive Feedback aus dem Rathaus beigetragen hat. Froh ist Marynen aber auch, weil sich in der Festivallandschaft einiges zu ändern beginnt: Mit Komposttoiletten über Recycling-Becher bis zum geschlossenen Wasserkreislauf wird dort experimentiert. Ein Indiz dafür, dass das Ampere nicht allzu lange die einzige Grüne Eventlocation in Europa bleiben wird.

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