Dinge, die ins Nichts gehen

Hein Scharr gestorben

  • Lesedauer: 2 Min.

Zu den beeindruckendsten Werken des Bildhauers und Grafikers Heinz Scharr (1924 in Sondershausen geboren) gehört sicherlich das Relief des Leidenszuges der Gefangenen in vierzehn Figuren mit ihrer grandiosen Figurensprache am Appellplatz im KZ-Lager Dora-Mittelbau. Über die gewaltige Fläche von drei Metern Höhe und von vierzig Metern Breite erstreckt sich dieses Werk. Diese Arbeit schuf er im späteren Refugium und Einsamkeitsort Komturhof Utterode, wo er all seine Werke schuf und am vergangenen Mittwoch starb.

1948 begann er ein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig; seine Professoren waren Elisabeth Voigt, der Maler Ernst Hassebrauk, der Bildhauer Walter Arnold und vor allem Max Schwimmer.

Scharr war Mitglied im Dortmunder Künstlerbund und nahm an der Gesamtdeutschen Graphik-Ausstellung »Ein Bekenntnis zum Leben« von 1956 in München und dann in den Räumen der Deutschen Akademie der Künste in Berlin (Ost) teil. Deren Jahresausstellung 1956 sei eine »Hochzeit der beiden Teile Deutschlands in der Kunst« lobte Max Schwimmer im Katalog.

In den 1960er Jahren entstanden weit im Lande Werke der architekturbezogenen Kunst. Daran war Heinz Scharr aktiv beteiligt; seine Arbeit konzentrierte sich auf die gegenständliche Gestaltung von Eisenplastiken wie die »Kröte«, »Hühner«, »Krähender Hahn« und abstrakte oder pflanzliche Brunnenfiguren. Zum Erfolg mit den volksverbundenen öffentlichen Arbeiten stellte sich ganz im Gegensatz die Ablehnung seiner Großplastik-Entwürfe für den Erfurter Pressen- und Scherenbau 1965, weil diese formalistisch seien. Für Scharrs späteres Naturstudium stehen die Rohrfederzeichnungen, wie Baumstrukturen, die wie Flussstrukturen als leitende Motive des Künstlers und freie Metaphern im Werk wiederkehren. In unendlichen, verschlüsselten Symbolbezügen stehen sie für Lebensschicksale.

Wie seine Phantasie aus dem Realen imaginiert wird, zeigt die Pracht der letzten Zeichnungen mit Rohrfeder in China-Tusche aus den Jahren 2012 bis 2014. Eine einzigartige Vanitas-Darstellung sind die oft mehrteiligen Zeichnungen »Knochenholz« mit temperamentvoller zeichnerischer Bewegung, welche die Kraft der Natur und die Kraft des Künstlers zum Ausdruck bringt.

Die Museen Thüringens müssen nun mehr beratschlagen, was zu tun wäre, um Heinz Scharrs Werk für die Gesellschaft zu erwerben und auf Dauer zu erhalten und zu zeigen, damit die Dinge nicht »ins Nichts gehen«. Peter Arlt

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal