Northeim will Bürgermeister loswerden

Stadtrat leitet Verfahren ein / Vorgänger kam Absetzung wegen Beförderungsaffäre mit Rücktritt zuvor

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Rat der Stadt Northeim in Südniedersachsen will den parteilosen Bürgermeister Hans-Erich Tannhäuser loswerden. Mit großer Mehrheit beschloss das Kommunalparlament am vergangenen Freitag, ein Abwahlverfahren gegen den hauptamtlichen Verwaltungschef in die Wege zu leiten. Am 15. Oktober sollen die Bürger darüber abstimmen, ob Tannhäuser im Amt bleibt. Die Chancen dafür stehen schlecht. SPD, CDU, FDP und Grüne sind für die Abwahl, nur die Vertreter der AfD, der Linken und einer Wählergemeinschaft stimmten dagegen. Zahlreiche Mitarbeiter der Stadtverwaltung hatten Mobbing, Einschüchterungsversuche und Beleidigungen durch den Bürgermeister kritisiert.

Tannhäuser war 2013 zum hauptamtlichen Bürgermeister gewählt worden. Er gewann damals überraschend gegen den von SPD, CDU und Grünen ins Rennen geschickten Kandidaten. Tannhäusers Vorgänger Harald Kühle (SPD) war eine Beförderungsaffäre zum Verhängnis geworden. Er hatte vorgeschlagen, den Stadtkämmerer zum Städtischen Oberrat und damit in eine höhere Gehaltsgruppe zu befördern, obwohl diesem die notwendige Qualifikation fehlen sollte. Gegenüber dem Verwaltungsausschuss, der die Höherstufung abgesegnet hatte, soll Kühle wahrheitswidrig behauptet haben, dass die Beförderung mit dem für die Lokalaufsicht zuständigen Landkreis Northeim abgestimmt sei.

Die FDP hatte Kühle zudem vorgeworfen, städtische Gelder veruntreut zu haben. Nachdem auch die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnahm, warf der Bürgermeister das Handtuch und kam so einer Abwahl zuvor.

Tannhäuser wollte alles anders und besser machen. Als eines seiner Hauptziele nannte er eine »wertschätzende Personalführung«, doch in der Praxis klappte es damit nicht so recht. Nachdem sich Beschwerden in der Stadtverwaltung über seinen Umgang mit Untergebenen gehäuft hatten, knöpfte sich zunächst die CDU den Bürgermeister vor. Neben Schwächen in der Mitarbeiterführung beklagten die Christdemokraten, dass der Verwaltungschef mehrere Ratsbeschlüsse nicht umgesetzt habe.

Der Stadtrat forderte den Bürgermeister auf, Seminare in Personalführung zu besuchen. Das Kommunalparlament stützte sich dabei auf Stellungnahmen des Personalrats der Verwaltung und des Betriebsarztes. Der Mediziner erklärte, dass seit Mitte 2014 insgesamt 17 Mitarbeiter der Verwaltung wegen des Führungsstils des Bürgermeisters zu betriebsärztlichen Beratungen bei ihm gewesen seien. Tannhäuser besuchte dann auch ein solches Seminar, Bilder davon stellte die Stadtverwaltung ins Internet, doch nach Meinung seiner Kritiker hat er dort nicht viel gelernt, die Beschwerden gegen seine Amtsführung gingen weiter. In den vergangenen drei Jahren hätten elf Führungskräfte die Stadtverwaltung verlassen, bemängelt die örtliche SPD.

Ende 2016 stellten die Fraktionen von SPD, CDU und Grünen Strafanzeigen gegen den Verwaltungschef. Die Vorwürfe: Untätigkeit bei Brandschutzmängeln, Urkundenunterdrückung, Falschaussagen bei der Auswahl des Bauamtsleiters und die Verkürzung eines Sitzungsprotokolls. Die CDU-Fraktionsvorsitzende im Rat zeigte Tannhäuser an, weil er sie als »Wasch- und Bügelfrau der CDU« bezeichnet haben soll. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen einen Teil der Verfahren eingestellt, in anderen Fällen ermittelt sie aber weiter.

Das Verhältnis zwischen dem Verwaltungschef und den Mehrheitsfraktionen blieb zerrüttet. »Herr Tannhäuser beschädigt das Amt des Bürgermeisters«, heißt es in der jetzt verabschiedeten Resolution. »Er macht schwerwiegende Fehler zum Nachteil der Stadt und hat sich menschlich und charakterlich als für diese verantwortungsvolle Aufgabe nicht geeignet erwiesen«.

Eine Abwahl Tannhäusers, der bis 2021 gewählt ist, käme die chronisch klamme 30.000-Einwohner-Stadt übrigens teuer zu stehen. Bis zum Ende seiner Amtszeit stünden dem Bürgermeister noch Bezüge in Höhe von rund 300 000 zu.

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