»Verteidigungszone« vor dem Showdown

Bei Straßburg kämpft ein Protestcamp gegen den Bau eines Autobahnabschnittes. »Widerstand gegen Stahlbeton« hat in Frankreich Konjunktur

  • Robert Schmidt
  • Lesedauer: 3 Min.

An diesem spätsommerlichen Freitagabend haben sich im Camp einige Dutzend Besucher angekündigt. Ein Campbewohner kocht gerade für alle eine Gemüsesuppe. Ein anderer räumt den Infostand auf. Auf einer eigens gebauten Bühne probt eine dreiköpfige Band.

Der 44-jährige Bruno Dalpra ist Teil von »GCO non merci«, einem Kollektiv von Gegnern der geplanten »Großen Westumfahrung« (GCO) der Stadt Straßburg. Dalpra bezeichnet sich selbst als »freies Radikal«. »Gegen Atomkraft«. »Gegen Gentechnik« - mehr als ein Dutzend Buttons an Dalpras Mütze sagen viel darüber aus, womit sich der Aktivist gerade beschäftigt. Er ist einer der Gründer der »Zone à defendre« - »Verteidigungszonen (ZAD)« gegen die Autobahn im elsässischen Kolbsheim.

»Verteidigungszonen« - »Widerstand gegen den Stahlbeton«, so nennen die Franzosen besetzte Großbaustellen. Die Methode trägt mitunter tatsächlich Früchte. In der westfranzösischen Gemeinde Notre-Dames-des-Landes bei Nantes beispielsweise wehren sich Hunderte Aktivisten seit mehr als zehn Jahren erfolgreich gegen den Bau eines Flughafens, indem sie das Baugrundstück besetzen.

Im Elsass wiederum sollen noch im September die ersten Bäume für die neue Umgehungsautobahn fallen. Deswegen haben die Aktivisten im Sommer besagte ZAD in der von der geplanten Straße betroffenen Gemeinde Kolbsheim errichtet. Gut ein Dutzend Aktivisten campen dort nun dauerhaft auf dem Grundstück eines Sympathisanten.

»Unser Protest hat den Beginn der Bauarbeiten bereits sechs Monate hinausgezögert«, berichtet Campbewohner Dalpra bei einem Besuch. Jahrelang haben er und andere Aktivisten Unterschriften gesammelt und Demos organisiert, einmal wurde einige Stunden lang ein Kreisverkehr besetzt. Zuletzt hat die Fürsorge um den unter Naturschutz stehenden Elsass-Hamster den Start des Projektes hinausgezögert, erzählt der Aktivist.

Dalpra, der bereits in Nantes und Paris Erfahrung mit teils gewaltsamen Protesten gesammelt hat, sieht die Gruppe für die kommenden Wochen gerüstet. Zu den Dutzend Campbewohnern kämen einige Dutzend weitere Mitstreiter, die sie beim Anrücken der Maschinen mobilisieren könnten.

Argumente gegen die geplante 24 Kilometer lange Autobahn liefert Dalpra am laufenden Band. So zweifelten Verkehrsstudien die vom Straßburger Bürgermeister versprochene entlastende Wirkung des geplanten Abschnittes für die bereits bestehende Stadtautobahn an. »Das Projekt ist doch rein wirtschaftlich«, sagt Dalpra. Zweck sei einzig und allein eine Nord-Süd-Trasse für Lastwagen zu schaffen. Alternativen zur Autobahn seien »nicht ernsthaft« geprüft worden.

Mitstreiter Yoam Galima sieht im Erhalt des Waldes bei Kolbsheim auch eine historische Verantwortung: »Das ist ein 100 Jahre alte Wald«, erinnert der Campbewohner. Der Wald sei 1918 gepflanzt worden, nachdem die Deutschen dort im Ersten Weltkrieg »alles plattgemacht« hätten.

Aktivistin Murielle Tavernese, 45-jährige Straßburger Mediathekarin, sieht die geplante Straße als Teil einer verkehrsplanerischen Rückwärtsentwicklung. Ihrer Meinung nach sollen Politiker lieber in den Ausbau des Schienennetzes investieren, anstatt sich für Autobahnbauer und Tankstellenbetreiber zu »prostituieren«.

Am 30. September wird es in Straßburg wieder eine große Demo der Autobahngegner geben. Zu diesem Zeitpunkt könnten in Kolbsheim schon die ersten Bäume gefällt sein - vorausgesetzt, die Aktivisten haben das nicht verhindern können. Der Bürgermeister will jedenfalls beim Anrücken der Maschinen die Kirchenglocken läuten lassen.

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