Haftbefehl gegen mutmaßlichen NSU-Helfer André E. erlassen

Anklage sieht Fluchtgefahr wegen drohender Strafhöhe / Polizeibeamter bestreitet Vertuschungsversuch

  • Lesedauer: 3 Min.

München. Gegen den mutmaßlichen NSU-Helfer André E. ist Haftbefehl ergangen. E. sitzt nach einem entsprechenden Beschluss des Oberlandesgerichts München vom Mittwoch bereits in Untersuchungshaft, wie ein Gerichtssprecher am Donnerstag mitteilte. Unter anderem wegen Beihilfe zum versuchten Mord hatte die Bundesanwaltschaft am Dienstag in ihrem Plädoyer eine Haftstrafe von zwölf Jahren gefordert und zugleich wegen drohender Fluchtgefahr Haftbefehl gegen ihn beantragt.

Der Neonazi E. war nach Ansicht der Anklage für das im Untergrund lebende NSU-Trio aus Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe »ein verlässlicher Anker«. Er habe sich in fünf Unterstützungshandlungen schuldig gemacht, von denen drei Fälle sehr schwer wögen, begründeten die Anklagevertreter ihre Strafforderung.

E. soll nach der Forderung der Anklagebehörde genauso lange ins Gefängnis wie der mutmaßliche NSU-Helfer Ralf Wohlleben. Diesem wird das Beschaffen der Ceska-Pistole vorgeworfen, mit dem der NSU neun Migranten ermordet haben soll. »Im Ergebnis« seien die Tatbeiträge von Wohlleben und E. vergleichbar, befand die Anklage.

E. saß nach dem Auffliegen des NSU bereits ein halbes Jahr in Untersuchungshaft. Nach seiner Freilassung saßen von den Angeklagten zuletzt nur noch die Hauptangeklagte Zschäpe und Wohlleben im Gefängnis. Für Zschäpe forderte die Bundesanwaltschaft am Dienstag lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Für den ebenfalls als NSU-Helfer angeklagten Holger G. forderte die Bundesanwaltschaft fünf Jahre Haft, für den mutmaßlichen Helfer Carsten S. drei Jahre Jugendhaft. Für diese beiden beantragte die Bundesanwaltschaft keine Haftbefehle.

Polizeibeamter bestreitet Vertuschungsversuch

Unterdessen geht die Aufarbeitung der rassistischen Mordserie auch auf parlamenatrischer Ebene weiter. Ein ranghoher Polizeibeamter hat vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags den Vorwurf bestritten, 2001 die Existenz eines Protokolls vertuscht zu haben. Vielmehr habe er das Schriftstück an die Staatsanwaltschaft Erfurt geschickt, sagte der Polizist am Donnerstag in Erfurt. Gleichzeitig erhob er schwere Vorwürfe gegen einen Kollegen der Kriminalpolizei Weimar, der den Vertuschungsverdacht erhoben hatte. Dieser habe gegen Vorschriften verstoßen.

In dem Protokoll hatte der Polizist aus Weimar geschrieben, ein V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes habe angegeben, er sei mit dem damaligen SPD-Abgeordneten Heiko Gentzel »gut bekannt«. Gentzel habe dabei auch geheime Informationen aus einer Landtagskommission weitergegeben. Gentzel hat das bestritten.

Dem »Nationalsozialistischen Untergrund« werden zehn Morde zur Last gelegt. Die Terrorzelle war nach einem Banküberfall am 4. November 2011 aufgeflogen, nachdem die Leichen von Mundlos und Böhnhardt in Eisenach gefunden worden waren. Zschäpe steht derzeit als Hauptangeklagte in München im NSU-Prozess vor Gericht. Agenturen/nd

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