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Goethes Spott, Fontanes Lob

Schmidt v. Werneuchen

  • Klaus Bellin
  • Lesedauer: 3 Min.

Er hieß Friedrich Wilhelm August Schmidt (1764 - 1838) und war Pfarrer in Werneuchen, einem Ort im Barnim, von dem auch Fontane nicht sagen konnte, ob es sich um eine Stadt oder bloß einen Flecken handelte. Fontane ist zweimal hier gewesen, 1861 und 1862, und hat in seinen »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« über Werneuchen auch geschrieben. Er fand einen sauberen und wohlhabenden Ort mit freundlichen Häusern, Ziegeldächern und grünen Jalousien, und er nutzte den zweiten Teil seines Berichts, um den vielgenannten Pastor Schmidt vorzustellen. Der ließ sich bekanntlich nicht nur von der Kanzel vernehmen, sondern betätigte sich auch als Dichter, nannte sich Schmidt von Werneuchen und »handhabte Vers und Reim«, wie Fontane sagt, »mit großer Leichtigkeit und zählte zu den produktivsten Lyrikern jener Epoche«.

Seine Dichtungen fanden Anklang, aber auch manchen Spötter. Der bekannteste war Goethe. Er parodierte ihn mit dem Gedicht »Musen und Grazien in der Mark«. August Wilhelm Schlegel schrieb: »Der Prediger Schmidt zu Werneuchen hat die Kunst erfunden, aus den Fasern von Heidekraut, Disteln, Binsen, Mauerpfeifer und dergleichen einen etwas groben, jedoch haltbaren Kattun zu verfertigen.« Am freundlichsten urteilte der große Wieland. Er fragte in einer Rezension, warum sollte Schmidt die Natur nicht so darstellen dürfen, »wie sie sich in seiner Seele abspiegelt?«

Dass man heute von diesem naturnahen und frohgemuten Dichter weiß, ist Günter de Bruyn zu danken. Er hat 1981 im »Märkischen Dichtergarten« des Buchverlags Der Morgen die verschütteten Strophen des braven Märkers ausgegraben und in einem schönen, mit Dokumenten angereicherten Band neu präsentiert, und er bekräftigt sein Plädoyer für Schmidt noch einmal im 60. Heft der »Frankfurter Buntbücher« mit einem sympathischen Blick auf dessen Leben und Poesien.

Schmidt war der Sohn eines Pfarrers, war in Fahrland bei Potsdam geboren worden, hatte in Halle studiert, kurze Zeit in Berlin verbracht und war dann in Werneuchen gelandet, wo er dreiundvierzig Jahre lang lebte und auch begraben wurde. Er liebte das Dorf und brachte alles ins Gedicht, was mit dieser Liebe zu tun hatte. Was Napoleon trieb und was die Welt ins Wanken brachte, kümmerte ihn nicht. Er hatte nur ein einziges Thema, sagt de Bruyn, das ländliche Glück, und als das erreicht war, schwieg er zufrieden.

Für Fontane war er ein »feinfühliger Künstler, der sich auf die leisesten landschaftlichen Stimmungen, auf den Ton und alle seine Nuancen verstand«. Und de Bruyn schließt die kleine, prächtig illustrierte und empfehlenswerte Schrift mit den Sätzen: »Sich wie Schmidt zum Parodieren zu eignen, ist gewissermaßen auch ein Verdienst. Farblosigkeit lässt sich nicht parodieren, nur kräftige Eigenart.«

Günter de Bruyn: Der Sandpoet. Friedrich Wilhelm August Schmidt, genannt Schmidt von Werneuchen. Frankfurter Buntbücher 60, Verlag für Berlin-Brandenburg, 32 S., br., 8 €.

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