Baulärm auf der Loreley

Umgestaltung des weltberühmten Felsplateaus nimmt Fahrt auf

  • Wolfgang Weiß
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin, ein Märchen aus alten Zeiten, das kommt mir nicht aus dem Sinn.« Wer in diesen Spätsommertagen das Plateau auf dem berühmtesten Felsen Deutschlands besucht hat, wird wohl kaum an die vor fast 200 Jahren geschriebenen Zeilen Heinrich Heines gedacht haben. Der sagenhafte, Mythen umwobene Ort, der zum UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal gehört, ist von Baulärm erfüllt. Knapp drei Jahre lang sollen die Arbeiten zur Neu- und Umgestaltung der insgesamt 52 Hektar großen Fläche dauern, die im vergangenen Jahr mit dem ersten Spatenstich begonnen hatten. Der Zugang zum eigentlichen Aussichtspunkt 132 Meter über dem Flusstal, das an dieser Stelle am tiefsten und am engsten im Mittelrhein ist, bleibt aber offen.

Umgestaltungspläne für das in die Jahre gekommene Plateau und die auf ihm befindlichen Bauten, deren Substanz marode und, wie es ein rheinland-pfälzischer Lokalpolitiker ausdrückte, »relativ versifft« ist, gibt es schon lange. Einen 2014 von der Landesregierung in Mainz ausgeschriebenen europaweiten Wettbewerb gewann eine Architekten- und Ingenieur-Arbeitsgemeinschaft aus Erfurt, das »Werkteam Loreley«. Die Sieger wollen das Plateau ganz im Sinne der UNESCO-Anforderungen zu einem ruhigen Landschaftspark umgestalten. Die Kosten von etwa elf Millionen Euro teilen sich die Bundesregierung, das Land Rheinland-Pfalz und lokale Interessenten. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) freut sich über die »riesige Chance für die Region. Der weltweit bekannte Mythos Loreley kann wieder erlebbar werden.«

In einer ersten Etappe geht es um den Rückbau von Gebäuden und versiegelten Flächen. Das betrifft zum Beispiel das veraltete, wenig attraktive Berghotel sowie ein Jugendheim, dessen historisches Hauptgebäude später zu einer Art Eingang in den Landschaftspark umfunktioniert werden soll. Werner Groß, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Loreley, verteidigt den vorgesehenen Abbruch der asphaltierten Kreisstraße und des Parkplatzes. Ziel sei es, »zurück zur Natur, zurück zum Felsen« zu kommen. Ein neues Hotel könne später mehr im Hintergrund am Rande des Parks gebaut werden. Der Lokalpolitiker erteilt damit Plänen, auf der Loreley ein Sechs-Sterne-Luxushotel zu errichten, eine klare Absage. Nicht betroffen von den Abrissplänen bleibt die 1939 errichtete denkmalgeschützte Freilichtbühne. Sie wird renoviert und steht auch während der Bauphase für Veranstaltungen zur Verfügung.

In einer zweiten Bauphase geht es um einen Mythenpfad, der bis zum neuen Aussichtspunkt führt. Der barrierefreie Schlängelpfad, so die Planung, beginnt an einer zentralen Promenade und führt durch eine künstliche Klamm - ein in den Fels geschnittener Spalt. Er ist gesäumt von fünf begehbaren Info- und Kunstpavillons in Kristallform, deren Finanzierung aber noch nicht beschlossen ist. In einer dritten Phase sollen der Rückbau der noch benötigten Straße sowie landschaftsgärtnerische Maßnahmen erfolgen. Bis dahin, voraussichtlich Mitte/Ende 2018, wird auch die Baustelle genutzt, um die Öffentlichkeit über das Projekt und die Fortschritte zu informieren. Eine Infobox und Führungen sollen die Akzeptanz des Vorhabens fördern. Das scheint notwendig angesichts eines sich formierenden Widerstands von Umweltaktivisten, Nostalgikern und in sozialen Medien. Erst kürzlich hatten Unbekannte nachts rund 200 Holzkreuze aufgestellt als »Symbol für die komplette Zerstörung eines der mythischsten Orte Deutschlands«, wie es in Bekennerschreiben hieß.

Das sieht Begoña Herrmann, Vizepräsidentin der Struktur- und Genehmigungsbehörde Nord, deren Lenkungsgruppe die Umsetzung des Projektes begleitet, natürlich anders: »Die Loreley ist die Galionsfigur der Rheinromantik.« Doch der Mythos und die touristische Attraktion des Ortes seien beim gegenwärtigen Zustand nicht mehr gewährleistet.

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