»Ich bin ein guter Schwimmer«

Im Kino: »Norman« von Joseph Cedar

  • Maria Jordan
  • Lesedauer: 3 Min.

Norman Oppenheimer ist ständig auf den Beinen. Umtriebig streift er durch Manhattan, immer die Stöpsel seines Headsets im Ohr. Sein Büro sind die Straßen und Starbucks-Filialen. Im Herzen ist Norman Geschäftsmann auf der Suche nach dem großen Erfolg. Trotz seines fortgeschrittenen Alters ist er fest entschlossen, den großen Coup noch zu landen. Dazu versucht der selbst ernannte Berater, sich ein Netzwerk von wichtigen Kontakten aufzubauen. Seine Aufgabe sieht er darin, Leute zusammenzubringen, sodass alle Seiten davon profitieren. »Oppenheimer Strategies« steht auf seinen Visitenkarten, die er unermüdlich in der New Yorker Geschäftswelt in Umlauf bringt. Doch seine Bemühungen wollen sich nicht auszahlen, der neurotische Norman verschreckt die Menschen mit seiner penetranten Art. Und niemand nimmt ihn wirklich ernst. Doch auch nach unzähligen Rückschlägen gibt Norman die Hoffnung nicht auf. »Ich bin ein guter Schwimmer«, versichert er sich und seinem Neffen immer wieder.

Norman wittert erneut eine Chance, als ein israelischer Diplomat in die Stadt kommt. Er verfolgt den Mann bis in ein Schuhgeschäft, wo er tatsächlich mit ihm ins Gespräch kommt und ihm schließlich ein paar sündhaft teure Schuhe kauft - für Norman sind die 1200 Dollar eine Menge Geld. Doch diese Investition soll sich lohnen - der Diplomat wird wenig später, die geschenkten Schuhe an den Füßen, Israels neuer Premierminister. Und tatsächlich, dieser wichtige Politiker erinnert sich an Normans Großzügigkeit und belohnt ihn, indem er ihn in den Kreis der wichtigen Leute aufnimmt. Norman scheint endlich der Durchbruch gelungen zu sein - er schüttelt der gesellschaftlichen Elite die Hand und sammelt Visitenkarten wie Briefmarken, es scheint zu schön, um wahr zu sein. Doch wie der Untertitel des Films »Der bescheidene Aufstieg und tragische Fall eines New Yorker Geschäftsmanns« schon verrät, nimmt die Geschichte kein gutes Ende. Normans Freund, der Premierminister, wird Mittelpunkt eines Korruptionsskandals. Er soll Geschenke von einem unbekannten Geschäftsmann angenommen haben …

Die in vier Akten aufgebaute Tragikomödie ist Joseph Cedars erster englischsprachiger Film. Der Drehbuchautor und Regisseur hat sein englisches Debüt hochkartätig besetzt: Neben Richard Gere in der Hauptrolle spielt Lior Ashkenazi, der schon die Hauptrolle in Cedars 2011 in Cannes ausgezeichnetem »Footnote« gab, den bestechlichen Politiker Micha Eshel. Charlotte Gainsbourg, Steve Buscemi und Michael Sheen glänzen in Nebenrollen als Anwältin, Rabbi und Normans Neffe.

Besonders ergreifend ist aber der Tiefgang, mit dem Richard Gere seine Rolle spielt. Er schafft es, die Komplexität seines Charakters zu vermitteln: In Norman verbindet sich so viel Unterschiedliches, dass der Zuschauer sich seiner Gefühle ihm gegenüber lange unsicher ist. Norman, mit seiner Kamelhaarjacke und der Schiebermütze, ist liebenswürdig, aber nervtötend, mitleiderregend, aber ehrgeizig und bewundernswert. Man kauft Gere die Rolle des einsamen Neurotikers von der ersten Szene an ab, die Erinnerungen an den aalglatten Charmbolzen in etlichen Liebeskomödien verblassen endlich.

»Norman« ist ein Wohlfühlfilm, aber mit der nötigen Portion Anspruch. Für einen »Politthriller«, wie der Film teilweise auch bezeichnet wird, fehlt es jedoch an Substanz. Dafür bleibt die Geschichte zu brav, das Thema Korruption bleibt zu unberührt. Und Norman hat mit Politik ja eigentlich nichts am Hut, sondern nur sein eigenes Glück im Blick.

Doch der Film berührt und unterhält. Und dank der überzeugenden Darstellung fühlt man sich dem Schicksal des unglücklichen Protagonisten verbunden. Norman selbst beschreibt in einer Szene seine Lebensgeschichte mit einer treffenden Analogie: »Das Leben ist wie ein Riesenrad«, erklärt er. »Manchmal bist du oben, und manchmal bist du unten.«

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