nd-aktuell.de / 22.09.2017 / Brandenburg / Seite 10

Langzeitarbeitslose werden im Garten beschäftigt

Die Ernte von mehreren Parzellen des Projekts »Pauline Früchtchen« geht an die Tafel in Frankfurt (Oder)

Jeanette Bederke

Wenn Katrin Schröder Unkraut jätet, reife Tomaten erntet oder Kartoffeln ausbuddelt, vergisst sie die täglichen Sorgen und Probleme für kurze Zeit. Seit der Wende hat sich die gelernte Facharbeiterin für Obst- und Gemüseverarbeitung von einem Gelegenheitsjob zur nächsten ABM und zur weiteren Qualifizierung gehangelt - ohne Aussicht auf Besserung. In diesem Jahr hat die 52-jährige alleinstehende Mutter zweier Kinder dank der Arbeitsloseninitiative in Frankfurt (Oder) eine sinnvolle Beschäftigung gefunden, die ihr sichtlich Spaß macht.

»Mit Obst und Gemüse kenne ich mich aus. Ohnehin bin ich zum Arbeiten lieber draußen als im Büro«, sagt Schröder, die hofft, auch im nächsten Jahr wieder bei »Pauline Früchtchen« mitmachen zu können. Gemeinsam mit 18 weiteren Langzeitarbeitslosen pflegt sie auf 1,50-Euro-Basis neun Parzellen in der Kleingartensparte »Paulinenhof«.

Die mehr als 3000 Quadratmeter große Idylle ist dicht bepflanzt mit Obst, Gemüse, Kräutern und Blumen. Was hier geerntet wird, bereichert die Frankfurter Tafel für rund 1800 Bedürftige oder findet Verwendung in der Suppenküche, die tagtäglich Hunderte Kunden mit einer warmen Mahlzeit versorgt.

»Wir setzen ja auf gesunde Ernährung - auch bei schmalem Geldbeutel«, betont Maritta Seibold, Geschäftsführerin der Frankfurter Arbeitsloseninitiative. Dieser Grundsatz beginnt schon beim biologischen Anbau von Obst und Gemüse.

»Bei uns wird keine Chemie eingesetzt, weder als Pflanzenschutzmittel noch als Dünger«, sagt Egbert Noack, Projektleiter bei »Pauline Früchtchen«. Angebaut werde, was satt mache: Porree, Kohl, Sellerie, Mohrrüben, Radieschen, Erdbeeren, Äpfel. Mit Exoten wie Physalis oder Mangold habe er hingegen nicht punkten können, erzählt Noack.

Gerade im Sommer sei das Spendenangebot der Supermärkte gering und häufig alles andere als frisch, erläutert Geschäftsführerin Seibold. So entstand die Idee, dass Arbeitslose in einer Art Tafelgarten etwas Sinnvolles für andere Bedürftige tun. Positiver Nebeneffekt: Brachliegende Kleingärten wurden wieder auf Vordermann gebracht. »Als wir hier anfingen, war das Gelände dreier Parzellen eine einzige verwilderte Müllhalde«, erzählt Noack. Wege und Beete wurden angelegt, Wasserleitungen installiert, die Lauben instand gesetzt. Es kamen immer weitere Parzellen hinzu.

»Hier gibt es etliche Gärten, die keinen Pächter mehr haben, ein Jammer«, sagt Gartennachbar Klaus-Dieter Bereit. Er findet toll, dass sich die Arbeitsloseninitiative zumindest einiger dieser verwilderten Brachen angenommen hat und sie wieder bewirtschaftet. »Die Leute, die hier gärtnern, sind fleißig und hilfsbereit«, lobt der Nachbar.

Was Diplomingenieur Noack und auch Geschäftsführerin Seibold besonders freut: Wegen der inzwischen guten Kontakte in der Kleingartensparte spenden Gartennachbarn Obst und Gemüse aus der eigenen Ernte. Im Vordergrund steht bei »Pauline Früchtchen« aber die Sozialarbeit und nicht etwa, dass die »Gartenhelfer« im Akkord Obst und Gemüse anbauen.

»Langzeitarbeitslose brauchen eine Aufgabe, eine Chance, zu zeigen, dass sie nicht nutzlos sind«, erzählt der 61-jährige Noack, zu dessen Team extra ein Sozialarbeiter gehört. Gemeinsam haben sie bisher knapp 250 Gartenhelfer auf Zeit betreut. Viele Betroffene fühlen sich ausgemustert und haben in dem Projekt neben sozialen Kontakten endlich wieder Erfolgserlebnisse, ergänzt Seibold.

»Die Kontakte sind wichtig. Da trifft man sich besser hier als in der Kneipe«, sagt der gelernte Elektriker Rainer Krüger, der schon einmal eine Saison bei »Pauline Früchtchen« arbeitete.

Das Ende der Gartensaison ist abzusehen. Gewächshäuser werden ausgebessert, Beete umgegraben, die letzten Früchte geerntet. Ende Oktober ist Schluss für dieses Jahr. Los geht es dann erst wieder Anfang März 2018. Wer bei »Pauline Früchtchen« als Helfer mitmachen kann, entscheidet das Jobcenter. »Hierbei handelt es sich um sogenannte Arbeitsgelegenheiten für Menschen, die ohne Weiteres auf dem ersten Arbeitsmarkt keinen Job finden«, erklärt Clarissa Matos Bernal, Sprecherin der Arbeitsagentur. Ziel seien zunächst die soziale Teilhabe und eine Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit. »Langfristig geht es darum, im Arbeitsleben wieder Fuß zu fassen. Einige Frankfurter, die in dem Gartenprojekt waren, haben anschließend in grünen Berufen einen Job gefunden.« dpa