Die Bundestagswahl läuft

299 Wahlkreise, über 61 Millionen Wahlberechtigte / Bartsch: Union und SPD werden die Quittung bekommen / Steinmeier: Es geht um die Zukunft der Demokratie und Europas

  • Lesedauer: 5 Min.

Berlin. Am Mittag wurden die ersten Zwischenstände zur Wahlbeteiligung bekannt. Die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl am Sonntag ist bis zur Mittagszeit nahezu identisch gewesen wie bei der jüngsten Wahl vor vier Jahren. Bis 14.00 Uhr hatten 41,1 Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimmen abgegeben, wie der Bundeswahlleiter am Sonntagnachmittag in Wiesbaden mitteilte. Bei der Bundestagswahl 2013 hatte die Wahlbeteiligung zu diesem Zeitpunkt bei 41,4 Prozent gelegen.

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Der Zwischenstand wird auf Grundlage der Wahlbeteiligung in ausgewählten Wahllokalen ermittelt. Allerdings sind in den Berechnungen nicht die Stimmen der Briefwähler enthalten. Experten erwarten in diesem Jahr einen Rekord an Briefwahlstimmen. Vor vier Jahren lag die Wahlbeteiligung am Ende bei 71,5 Prozent. Angesichts einer stärkeren Politisierung in diesem Jahr und der teils aufgeheizten Debatte um die AfD hatten Demoskopen aber einen leichten Zuwachs erwartet.

299 Wahllokale sind geöffnet

In den 299 Wahlkreisen öffneten am Sonntagmorgen um 8 Uhr die Wahllokale für die Bundestagswahl, darunter auch eines im nd-Gebäude am Franz-Mehring-Platz in Berlin. Rund 61,5 Millionen Deutsche sind bis 18.00 Uhr zur Stimmabgabe aufgerufen. Erste Prognosen zum Wahlausgang werden unmittelbar im Anschluss erwartet.

Bundespräsident Franz-Walter Steinmeier rief die Bürger zur Stimmabgabe auf. »Wahlrecht ist Bürgerrecht«, schrieb der Bundespräsident in der »Bild am Sonntag«. »Für mich ist es in einer Demokratie vornehmste Bürgerpflicht. Gehen Sie zur Wahl!« Wer nicht wählen gehe, lasse andere »über die Zukunft unseres Landes« entscheiden - etwa darüber, »wie es weitergeht bei Arbeit und Wirtschaft, Bildung und Gesundheit, Pflege und Alterssicherung, in der Flüchtlingspolitik und bei der Integration, bei innerer und äußerer Sicherheit, bei Klima und Umwelt«. Es sei vielleicht noch nie so spürbar wie jetzt gewesen, dass es bei der Bundestagswahl »auch um die Zukunft der Demokratie und die Zukunft Europas« gehe, so Steinmeier.

Mit großem Optimismus blickte derweil der Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, Dietmar Bartsch, auf die Wahl. »Wenn das Ergebnis so gut ist wie der Wahlkampf, dann werde ich am Sonntagabend glücklich sein«, sagte er in Rostock. Ziel für seine Partei sei es, bundesweit ein zweistelliges Ergebnis zu erzielen und im Kampf um den dritten Platz vor der AfD zu landen. Es habe sich im Bundestagswahlkampf gezeigt, dass die Ausrichtung des Linkspartei-Wahlkampfes auf die soziale Gerechtigkeit richtig war. »Es war das Thema war, das die Menschen am meisten bewegt hat.« Viele hätten Sorge, ob sie dauerhaft die Miete bezahlen oder die Aufwendungen für Pflege und Gesundheit tragen können.

Kritik am Wahlkampf

Union und SPD warf Bartsch vor, keinen richtigen Wahlkampf geführt zu haben. »Die Große Koalition hat regiert und das Land verwaltet«, sagte er. Die SPD sei chancenlos gewesen, dabei glaubwürdig von einem Politikwechsel zu sprechen. »Aufgrund dieser Chancenlosigkeit hat sich nie etwas entwickelt.« Jeder wisse, dass die nächste Kanzlerin Angela Merkel (CDU) heiße. Dieses Verhalten der beiden »noch großen Parteien« habe den Wahlkampf geprägt. »Ich bin sicher, sie werden dafür die Quittung bekommen.« Bartsch macht sich im Bundestagswahlkreis 14 Rostock - Landkreis Rostock II Hoffnungen auf das Direktmandat. Es ist das Ziel der Linkspartei, in der Hansestadt das Direktmandat zurückzuerobern. 2009 hatten die Wähler dem heutigen Rostocker Sozialsenator Steffen Bockhahn das Mandat erteilt. 2013 erreichte jedoch CDU-Kandidat Peter Stein mit 35 Prozent 4,3 Prozentpunkte mehr und wechselte nach Berlin.

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Die Union von Bundeskanzlerin Merkel lag bundesweit in letzten Umfragen deutlich vor der SPD von Herausforderer Martin Schulz. Allerdings müssen CDU und CSU mit Einbußen im Vergleich zu ihrem Ergebnis von 41,5 Prozent vor vier Jahren rechnen. Den Sozialdemokraten könnte drohen, noch unter ihr bisher schlechtestes Ergebnis von 23,0 Prozent bei der Wahl 2009 zu rutschen.

Erstmals ins Parlament einziehen dürfte die rechtsradikale AfD, die FDP steht nach vier Jahren Abwesenheit vor der Rückkehr in den Bundestag. Die neue AfD-Fraktion im Bundestag wird voraussichtlich vom völkischen Höcke-Flügel dominiert werden. Auch Linkspartei und Grüne können den Umfragen zufolge damit rechnen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen.

Alle vier kleineren Parteien machen sich Hoffnungen, drittstärkste Kraft zu werden. Für eine Regierungsbildung nach der Wahl erwarteten Meinungsforscher zuletzt nur Mehrheiten für eine erneute große Koalition von CDU/CSU und SPD oder ein Jamaika-Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen.

Insgesamt stehen 42 Parteien zur Wahl - so viele wie nie seit der Wiedervereinigung. Mit Spannung erwartet wird auch, ob die Zahl der Nichtwähler auf dem historisch hohen Niveau bleibt. Bei der Bundestagswahl 2009 war die Wahlbeteiligung mit 70,8 Prozent auf den niedrigsten Stand in der Geschichte der Bundesrepublik gefallen, vier Jahre später lag sie mit 71,5 Prozent nur leicht darüber. Agenturen/nd

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