Warten auf Trump und Putin

Auffällige Zurückhaltung in Moskau und Washington

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit über einem Dutzend Twitterbotschaften hatte Donald Trump die Welt nach Schließung der Wahllokale in Deutschland beglückt, eine Reaktion auf das Ergebnis beim NATO-Verbündeten fehlte. War der US-Präsident noch sauer auf Angela Merkel, die mit scharfen Worten auf seine jüngste Drohung reagiert hatte, Nordkorea vollständig zu zerstören? Für sie ist »jede Art militärischer Lösung absolut unangemessen«. Was nicht die einzige Differenz war. So hatte Trump Merkels Flüchtlingspolitik als »katastrophalen Fehler« geschmäht und das Handelsdefizit mit Berlin massiv kritisiert. Und er will für den Schutz Deutschlands durch die USA mehr Geld für die NATO sehen. Deshalb seine ultimative Forderung nach höheren Militärausgaben.

Allerdings hatten beide unmittelbar vor dem Votum noch miteinander telefoniert und Trump Deutschland eine erfolgreiche Bundestagswahl gewünscht. Doch woran misst sich der Erfolg? Interessierte US-Amerikaner konnten sich in der Regel kaum vorstellen, dass Europas mächtigste Wirtschaftsnation nicht von Angela Merkel geführt werde, so Karen Donfried vom German Marshall Fund. Lediglich die Bannon- Fraktion im Trump-Lager macht aus ihrer Sympathie für die Einwanderungsgegner der AfD keinen Hehl. Martin Schulz wurde im politischen Washington niemals als ernsthafte Alternative betrachtet, zumal der SPD-Mann größtmögliche Distanz zum Weißen Haus suchte. Wobei sich das Wahlinteresse außerhalb der Deutschlandkenner stark in Grenzen hielt. Die Trump-Regierung jedenfalls habe mit einer weiteren Amtszeit von Merkel gerechnet, so Erik Brattberg von der Carnegie-Stiftung in Washington. Doch selbst 24 Stunden nach Schließung der Wahllokale blieb der Präsident stumm. Die »New York Times« hofft auf eine Fortsetzung des »nicht-ideologischen Regierungsstils« von Merkel. Er stelle ein »Gegengewicht zu der Demagogie dar, die auf die Welt losgelassen worden ist«.

Auch im Kreml hielt man sich mit Einschätzungen auffallend zurück. Angela Merkel habe zwar die Wahl gewonnen, aber die Regierungsbildung stehe noch bevor, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag. »Wir werden das sehr aufmerksam verfolgen.« Präsident Wladimir Putin werde sich erst nach einer genauen Analyse äußern. Natürlich sei Deutschland ein sehr wichtiger Partner, vor allem für Handel und Investitionen, so Peskow. Doch sollte Jamaika Wirklichkeit werden und ein Grüner wieder ins Außenministerium einziehen, wäre das ungünstig, ist sich der kremlnahe Politologe Fjodor Lukjanow sicher. Denn die Grünen hätten eine sehr russlandkritische Haltung. Dagegen fand die FDP-Sicht durchaus wohlwollende Aufmerksamkeit. Keine Gefahr sieht die Regierungszeitung »Rossijskaja Gaseta« in der AfD - schließlich werde in Deutschland »jeder aufkommende Extremismus und Nationalismus streng überwacht«.

Dagegen betonte der Deutschland-Experte Wladislaw Below von der Russischen Akademie der Wissenschaften, dass ungeachtet russlandfreundlicher AfD-Positionen »alle Aussagen über die Wehrmacht und über die Juden inakzeptabel für Moskau« seien. Below geht davon aus, dass die Zusammensetzung der Koalition in Berlin letztlich unerheblich sei, da »Frau Merkel die Russlandpolitik doch weiter bestimmen« werde. Enttäuscht wäre der Kreml nur, käme keine Regierung zustande: »Putin braucht ein stabiles Deutschland für eine gute Zusammenarbeit.«

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